I. Allgemeine Grundsätze
Rz. 5
Stand: EL 135 – ET: 08/2023
Zufluss bedeutet Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über den Arbeitslohn (zB BFH 227, 93 = BStBl 2010 II, 746; H 11 – Allgemeines – EStH). Dazu gibt es Besonderheiten bei der Übertragung von > Geld und Sachzuwendungen (> Rz 10 ff) sowie von Rechtsansprüchen (> Rz 13 ff). Sobald der ArbN berechtigt ist, über den > Arbeitslohn zu verfügen, fließt er ihm zu. Ist Arbeitslohn zur Auszahlung fällig, lässt der ArbN sein Guthaben aber in Absprache mit dem ArbG im eigenen Interesse ‚im Betrieb stehen’, ist der Zufluss bei Fälligkeit eingetreten (> Rz 22; > Darlehen Rz 76 ff). Zur Umwandlung von Bar- in Versorgungslohn > Rz 25 ff. Zum Ausschluss des Zuflusses durch Gehaltsverzicht > Rz 24. Eine auflösende Bedingung schließt den Zufluss ebenfalls nicht aus. Hingegen hindert eine aufschiebende > Bedingung, wie zB die Ausübung der Option, den Eintritt des Zuflusses (> Rz 15).
Freiwillige Verfügungsbeschränkungen, wie zB die Beachtung einer Sperrfrist für die Auszahlung im Rahmen der > Vermögensbildung der Arbeitnehmer, hindern den Zufluss nicht (> Rz 11). Ebenso ist es zB, wenn Aktien während einer Sperrfrist (Haltefrist) nicht weiter veräußert werden dürfen (BFH 223, 98 = BStBl 2009 II, 282; > Rz 15). Der Zufluss zB einer Pensionszahlung bleibt davon unberührt, dass diese für einen Zeitraum gezahlt wird, dessen Beginn der Empfänger nicht mehr erlebt (BFH 118, 166 = BStBl 1976 II, 322; > Rechtsnachfolger).
Rz. 6
Stand: EL 135 – ET: 08/2023
Aufgrund einer Zahlungsverpflichtung entsteht zwar ein Anspruch. Daraus fließt dem Stpfl/ArbN aber zunächst nichts zu. Das ist überall bei den Überschusseinkünften so, zu denen auch jene aus nichtselbständiger Arbeit gehören (vgl § 2 Abs 2 Nr 2 EStG). Ansprüche, über die der Stpfl noch nicht verfügen kann, werden nur bei den Gewinneinkünften – und auch dort nur, sofern keine > Einnahmen-Überschussrechnung zur Anwendung kommt – als Teil des Betriebsvermögens bilanziert. Nicht der Erwerb von Ansprüchen gegen den ArbG, sondern allein der Zufluss von Geld oder geldwerten Vorteilen sind für den LSt-Abzug maßgebend (BFH 183, 568 = BStBl 1997 II, 667).
Beispiel:
Der ArbN hat eine Anstellung gefunden und einen Arbeitsvertrag, in dem sich der ArbG zur Zahlung eines Jahresgehalts von 60 000 EUR verpflichtet hat. Der ArbN hat zwar einen Anspruch auf Arbeitslohn von 60 000 EUR, ihm fließt aber zunächst noch nichts zu. Erst das am nächsten Monatsende gezahlte Gehalt in Höhe von 1/12 des Jahresarbeitslohns fließt mit dem Ablauf des Lohnzahlungszeitraums zu.
Ein nicht fälliger (betagter) Anspruch gegen den ArbG fließt nicht zu (BFH 81, 225 = BStBl 1965 III, 83). Nicht zugeflossen ist auch der fällige Arbeitslohn, dessen Auszahlung der ArbN im Interesse des ArbG gestundet hat (> Rz 22). Allein das Fälligwerden eines Zahlungsanspruchs bewirkt also noch nicht den Zufluss (BFH 227, 93 = BStBl 2010 II, 746), sondern erst die dann folgende Leistung des ArbG (Erfüllung des Anspruchs des ArbN; BFH/NV 2010, 1094 = DStRE 2010, 790). Befindet sich der ArbG in der Insolvenz, beschränkt sich der Zufluss auf den bereits ausgezahlten Arbeitslohn. Ausstehende Teile des Arbeitslohns gehören zu den Insolvenz- oder Masseforderungen (> Insolvenzverfahren Rz 15 ff [19/1]), fließen dem ArbN aber nicht zu. Ebenso führt das Versprechen einer Gewinnbeteiligung ohne Verfügungsmöglichkeit nicht zum Zufluss (> Rz 15).
Rz. 7
Stand: EL 135 – ET: 08/2023
Verfügt der ArbN über Lohnansprüche, die zwar rechtswirksam vereinbart aber noch nicht fällig sind, durch > Abtretung des Arbeitslohns, so trifft er eine Vorausverfügung, die grundsätzlich erst im Zeitpunkt der Zahlung durch den ArbG zum Zufluss von Arbeitslohn führt (BFH 219, 313 = BStBl 2008 II, 375 mwN). Entsprechendes gilt bei der > Pfändung von Arbeitslohn. Kein Zufluss von Arbeitslohn – keine Einnahme – liegt übrigens vor, wenn sich der ArbG im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs zur Zahlung einer Spende verpflichtet, der ArbN jedoch keinen Einfluss darauf hat, wer Empfänger der Spende ist (BFH 187, 224 = BStBl 1999 II, 98).
Auch ein Vertrag zugunsten Dritter (vgl § 328 Abs 1 BGB) führt erst im Zeitpunkt der Zahlung des Schuldners an den Dritten zum Zufluss beim originär Verfügungsberechtigten. BFH 118, 189 = BStBl 1976 II, 324 (unter A 3 Buchst e der Entscheidungsgründe) verweist die Weiterleitung des Geldes an den Dritten folgerichtig in den Bereich der Einkommensverwendung.
Rz. 8
Stand: EL 135 – ET: 08/2023
Erfüllt der ArbG eine mit dem ArbN getroffene > Lohnverwendungsabrede, fließt Arbeitslohn mit der Zahlung zu (> R 38.2 Abs 1 LStR). Bei einer solchen konstitutiven Verwendungsauflage (BFH 187, 224 = BStBl 1998 II, 98) wird der geschuldete Barlohn nicht an den ArbN ausgezahlt, sondern auf seine Weisung hin vom ArbG anderweitig verwendet, zB zur Erfüllung von Verbindlichkeiten des ArbN aus Kauf, Miete, Darlehen usw. Ebenso, wenn Lohnteile verwendet werden, um sie mit Forderungen des ArbG gegen den ArbN zu verrechnen (> Rz 20, 2...