Entscheidungsstichwort (Thema)
Beginn der Festsetzungsverjährung bei schenkungssteuerpflichtigen Vorgängen
Leitsatz (redaktionell)
Bei rechtsgeschäftlichen Schenkungen unter Lebenden beginnt die Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung oder die Anzeige beim Finanzamt eingereicht wird. Die Erfüllung einer der beiden Verpflichtungen reicht zum Anlauf der Festsetzungsfrist aus.
Normenkette
ErbStG § 9 Abs. 1 Nr. 2; AO § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 2; ErbStG § 30 Abs. 1
Streitjahr(e)
2000
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob im Zeitpunkt der Festsetzung der Schenkungsteuer partiell bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war.
Die Klägerin hatte von ihrem Ehemann im Wege der Schenkung zugewandt erhalten
- durch notariell beurkundeten Vertrag vom 29.10.1994 einen Teilkommanditanteil von 15.000 DM an der W GmbH;
- durch weiteren notariell beurkundeten Vertrag vom 29.10.1994 einen Teilgeschäftsanteil von 2.500 DM an der Komplementär-GmbH der vorgenannten KG;
- durch privatschriftliche Darlehensübertragungsvereinbarung, ebenfalls vom 29.10.1994, einen Anteil am Gesellschafterdarlehensanspruch in Höhe von 300.000 DM;
- durch privatschriftlichen Zusatzvertrag vom 08.12.1995 zu dem vorgenannten Darlehensübertragungsvertrag einen weiteren Anteil am Gesellschafterdarlehensanspruch von 66.206,90 DM.
Die Verträge zu a) - c) waren der Schenkungsteuerstelle des Beklagten durch den Notar mit Schreiben vom 11.09.1995 übersandt worden. Eine Kopie des Zusatzvertrages zu d) hatte der Schenker der Schenkungssteuerstelle des Beklagten mit am selben Tag eingegangenem Schreiben vom 14.12.1995 vorgelegt.
Mit Schreiben vom 18.12.1997 hat der Beklagte die Klägerin zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung aufgefordert. Die Erklärung ist am 23.01.1998 bei dem Beklagten eingegangen.
Mit Bescheid vom 26.06.2000 hat der Beklagte unter Berücksichtigung der Rechtsvorgänge zu a) - d) Schenkungsteuer in Höhe von 10.681 DM festgesetzt.
Mit dem Einspruch hat sich die Klägerin auf Festsetzungsverjährung berufen. Die Festsetzungsfrist von 4 Jahren habe für sämtliche Rechtsvorgänge gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 5 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) mit Ablauf des Kalenderjahres 1995 zu laufen begonnen. Die Rechtvorgänge zu c) und d) seien noch in 1995 gemäß § 30 Abs. 1 und 2 Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) angezeigt worden. Wenn nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres beginne, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht werde, handele es sich hierbei um eine alternative und nicht um eine kumulative Aufzählung, so dass die zuerst vorgenommene Handlung für das Ende der Anlaufhemmung allein maßgeblich sei. Darauf, dass die Steuererklärung auf Anforderung erst in 1998 abgegeben worden sei, komme es damit nicht mehr an. Die Rechtsvorgänge zu a) und b) seien durch den beurkundenden Notar ebenfalls in 1995 angezeigt worden. Durch die Übersendung der Vertragskopien seien dem Beklagten alle Umstände bekannt geworden, die er für die Prüfung benötigt habe, ob ein steuerbarer Vorgang vorliege und ein Besteuerungsverfahren einzuleiten, insbesondere eine Steuererklärung anzufordern sei. Nach den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 30.10.1996 II R 70/94, Bundessteuerblatt (BStBl) II 1997, 11, müsse in einem solchen Fall der Beginn der Festsetzungsfrist nicht weiter hinausgeschoben werden. Dies entspreche auch der von dem Finanzgericht (FG) München in dem Urteil vom 18.07.2001 4 K 4507/98, Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 5, vertretenen Rechtsauffassung; danach beginne die Festsetzungsverjährung mit Ablauf des Jahres, in dem dem zuständigen Finanzamt der Erwerbsvorgang – sei es durch Abgabe der Steuererklärung oder einer Anzeige nach § 30 Abs. 1 ErbStG oder durch Mitteilung einer Amtsperson i.S. des § 30 Abs. 3 ErbStG – in einer Weise bekannt werde, dass es prüfen könne, ob ein steuerpflichtiger Vorgang vorliege oder nicht.
Der Einspruch ist erfolglos geblieben. In der Einspruchsentscheidung vom 05.08.2002 hat der Beklagte im Wesentlichen ausgeführt, dass hinsichtlich sämtlicher Rechtsvorgänge im Zeitpunkt der Steuerfestsetzung noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen sei. Hinsichtlich der notariell beurkundeten Schenkungen a) und b) ergebe sich dies bereits daraus, dass insoweit keine Anzeigepflicht der Erwerberin und des Schenkers bestanden habe (§ 30 Abs. 3 ErbStG) und unter Anzeige i.S.v. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO nur eine solche zu verstehen sei. Abgesehen davon könne aber auch der Auffassung der Klägerin, dass die Festsetzungsfrist gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO bereits mit Ablauf des Kalenderjahres beginne, in dem die Anzeige eingereicht werde, und es auf den späteren Eingang der von dem Steuerpflichtigen abzugebenden Steuererklärung nicht mehr ankomme, nicht gefolgt werden. ...