Entscheidungsstichwort (Thema)
Verspätungszuschlag wegen schuldhafter Versäumnis der Steuererklärungsfrist
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei Fristversäumnis kann sich ein Steuerpflichtiger nicht monatelang auf seine individuellen beruflichen Sonderbelastungen berufen.
2. Zögert ein Wirtschaftsprüfer/Steuerberater die Erstellung der eigenen Erklärung bis zu dem Zeitpunkt um die Jahreswende hinaus, indem er wie alle Berufskollegen erfahrungsgemäß und deshalb vorhersehbar mit einem gerade auch aufgrund von Gesetzesänderungen besonders hohen Arbeitsanfall rechnen muss, dann kann er sich damit nicht mehr entschuldigen.
3. Gerade ein Angehöriger der steuerberatenden Berufe muss bemüht sein, seinen eigenen steuerlichen Verpflichtungen pünktlich nachzukommen, und dabei auch die Interessen seiner Mandanten zurückstellen bzw. seine Nebentätigkeiten so weit reduzieren, wie dies die Erfüllung der eigenen steuerlichen Verpflichtungen erfordert.
4. Wer bewusst, wenn auch infolge eines Irrtums über die materielle Rechtslage, die Frist zur Abgabe einer Steuererklärung verstreichen lässt, handelt nicht entschuldbar i.S. des § 152 Abs. 1 Satz 2 AO.
5. Mangels eines Antrags um eine stillschweigende Fristverlängerung ist das Stillschweigen des Finanzamtes jedenfalls nicht ohne weiteres als rückwirkende Fristverlängerung im Sinne des § 109 Abs. 1 AO zu verstehen.
Normenkette
AO § 152 Abs. 1
Streitjahr(e)
1999
Nachgehend
Tatbestand
Die Kläger sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute.
Der Kläger zu 1 (Kl.) ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater; diese Tätigkeit übt er hauptsächlich als Angestellter, in geringem Umfang auch selbstständig aus. Die Klägerin zu 2 (Klin.) war im Streitjahr 1999 Hausfrau.
Die Kläger geben ihre Jahressteuererklärungen regelmäßig erst kurz vor oder nach Ablauf des folgenden Veranlagungszeitraums ab.
Auf Erinnerung des beklagten Finanzamts (FA) vom 09.10.2000 (Verarbeitungsdatum 27.09.2000) beantragte der Kl. unter dem 16.10.2000, auch die Frist für die Abgabe der Einkommensteuererklärung 1999 bis zum 31.12.2000 zu verlängern. Er werde sich um eine frühere Fertigstellung bemühen. Vorbehaltlich eines gegenteiligen Bescheides gehe er davon aus, dass diesem Fristverlängerungsantrag entsprochen werde.
Mit zweiter Erinnerung vom 29.01.2001 (Verarbeitungsdatum 18.01.2001) wurde der Kl. zur Erklärungsabgabe bis zum 28.02.2001 aufgefordert. Diese Erinnerung sei keine Fristverlängerung; insbesondere bleibe die Festsetzung von Verspätungszuschlägen vorbehalten. Für den Fall weiterer Säumnis wurde u.a. auch die Androhung eines Zwangsgeldes in Aussicht gestellt.
Eine Woche nach der Verarbeitung einer (auf den 27.03.2001 datierten) Zwangsgeldandrohung ging am 23.03.2001 die Einkommensteuererklärung 1999 beim FA ein.
Mit Bescheid vom 25.04.2001 wurden die Kläger zu…DM Einkommensteuer 1999 veranlagt. Das zu versteuernde Einkommen von…DM beruhte hauptsächlich auf…DM Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit des Kl. Aus der nebenberuflichen Steuerberatung hatte er bei…DM Bruttoumsatz (Honoraren) einen steuerlichen Verlust in Höhe von… DM erzielt. Die Einkommensteuer-Abschlusszahlung betrug…DM. Gegenstand dieses Bescheides war auch die Festsetzung eines Verspätungszuschlags von…DM.
Mit dem Einspruch vom 13./14.05.2001 beantragte der Kl. neben einer um Pfennigbeträge höheren Anrechnung von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag auf Kapitalertragsteuer die Aufhebung des Verspätungszuschlags, und zwar schon wegen Entschuldbarkeit der Fristversäumnis. Der Kl. habe am 20.03.2001 mit der zuständigen FA-Sachbearbeiterin telefoniert und am 23.03.2001 bei ihr vorgesprochen, um sich für die Nichteinhaltung der - stillschweigend dem Antrag vom 16.10.2000 entsprechend - bis zum 31.12.2000 verlängerten Abgabefrist zu exkulpieren. Ab Herbst 2000 sei er unversehens in eine Phase besonderer beruflicher Anspannung geraten, weil erst kurz vor dem Jahreswechsel veröffentlichte und zum 01.01.2001 in Kraft getretene Vorschriften (Unternehmensteuerreform / KapCoRiLiG) einen wesentlich erhöhten Mitarbeiter-Ausbildungsbedarf und Mandanten-Beratungsbedarf in der zentralen Fachabteilung einer der größten deutschen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften mit sich gebracht hätten. Dort sei er neben der laufenden Tagesarbeit ohnehin mit ständig zunehmenden Arbeits- und Fortbildungsanforderungen wegen der fortschreitenden Internationalisierung der Rechnungslegung und den verschärften Prüfungsanforderungen der Unternehmen konfrontiert gewesen. Auch wegen seiner ebenfalls nicht ohne Weiteres kurzfristig reduzierbaren Nebentätigkeit habe er in diesem Jahr über einen längeren Zeitraum 70 Stunden pro Woche arbeiten müssen. Die zuständige FA-Sachbearbeiterin habe sich für diese außerordentlichen Umstände, die s.E. eine auch im Verhältnis zur Höhe der Abschlusszahlung geringe Verspätung verständlich erscheinen ließen, nicht interessiert, sondern auf...