Entscheidungsstichwort (Thema)
Abrechnungsbescheid zur ESt 2012, Haftungsbeschränkung für nach Aufhebung eines Insolvenzverfahrens festgesetzte Steuer, Masseverbindlichkeit
Leitsatz (redaktionell)
- Ist ein Stpfl. der Meinung, dass eine ESt nach Abschluss eines Insolvenzverfahrens nicht erhoben werden darf, weil sie während des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit aus der Insolvenzmasse zu begleichen gewesen wäre, muss er gegen ihn gerichtete Vollstreckungsakte nicht abwarten.
- Er kann die Steuerschuld vielmehr unter Protest begleichen und anschließend einen Erstattungsanspruch gemäß § 37 Abs. 2 AO geltend machen.
- Wird nach Aufhebung eines Insolvenzverfahrens eine Steuer festgesetzt, die während des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit zu behandeln gewesen wäre, kann sich der frühere Insolvenzschuldner nicht auf eine Haftungsbeschränkung auf die Gegenstände der früheren Insolvenzmasse berufen, sofern die Steuer nicht aufgrund von Handlungen des Insolvenzverwalters entstanden ist.
Normenkette
AO § 37 Abs. 2; InsO §§ 55, 206, 258; EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 18 Abs. 4 S. 2
Streitjahr(e)
2012
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob das beklagte Finanzamt eine nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers festgesetzte Einkommensteuerschuld vollumfänglich erheben darf, obwohl die Einkommensteuer entstanden ist, als das Insolvenzverfahren noch anhängig war.
Die Kläger sind Ehegatten, die zur Einkommensteuer zusammen veranlagt werden. Der Kläger ist X (Beruf). Er erzielte u.a. Einkünfte aus selbständiger Arbeit aus einer Beteiligung an der „A & B GbR”.
Mit Gesellschafterbeschluss vom xx. Dezember 2010 wurde die GbR zum 31. Dezember 2010 aufgelöst und als Liquidationsgesellschaft fortgeführt. Es wurde ein Liquidator bestellt, der nicht an der Gesellschaft beteiligt war.
Über das Vermögen des Klägers wurde am xx. August 2011 ein Insolvenzverfahren eröffnet (Amtsgericht C, Az.). Der Kläger konnte die Belastungen aus der fremdfinanzierten Anschaffung von mehreren Immobilien nicht mehr tragen.
In der Folgezeit vereinnahmte der Insolvenzverwalter den auf den Kläger entfallenden Teil am Liquidationserlös der „A & B GbR” zugunsten der Insolvenzmasse.
Im Mai 2013 ging beim beklagten Finanzamt eine von beiden Klägern unterschriebene Einkommensteuererklärung für das Jahr 2012 ein. Die Einkünfte aus der GbR waren in der Erklärung nicht enthalten. Der Beklagte übersandte dem Insolvenzverwalter Kopien der Erklärung. Der Insolvenzverwalter unterschrieb die Einkommensteuererklärung im Juni 2013.
Der Beklagte erließ nach Maßgabe der Angaben in der eingereichten Einkommensteuererklärung am xx. September 2013 einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2012. Der Bescheid wurde der Klägerin und dem Insolvenzverwalter bekannt gegeben.
Aufgrund von Einsprüchen des steuerlichen Vertreters der Kläger änderte der Beklagte den Einkommensteuerbescheid am xx. Oktober 2013 und am xx. November 2013 antragsgemäß ab.
Im Jahr 2013 wurden außerdem erhebliche Anstrengungen zur Beendigung des Insolvenzverfahrens unternommen. Nachdem sich die Klägerin bereit erklärt hatte, einen Betrag in Höhe von xxx € in die Insolvenzmasse zu zahlen, bestätigten die Gläubiger am xx. Mai 2013 einen vorher ausgearbeiteten Insolvenzplan. Der Bestätigungsbeschluss des Amtsgerichts C erging am xx. August 2013.
Der Insolvenzplan sah vor, dass die Insolvenzgläubiger auf ihre zur Insolvenztabelle festgestellten Forderungen verzichteten. Als Gegenleistung wurde der zur Verfügung gestellte Betrag von xxx € sowie die vorhandene Insolvenzmasse anteilig an die Gläubiger ausgezahlt. Für die Gläubiger ergab sich eine Quote auf ihre Insolvenzforderungen in Höhe von etwas über 1 %. Besondere Regelungen zu den Masseverbindlichkeiten enthielt der Insolvenzplan nicht. Wegen der Einzelheiten wird auf den Aktenauszug der Insolvenzakte des Amtsgerichts C - Insolvenzgericht - verwiesen, der sich in der Gerichtsakte befindet.
Der Insolvenzverwalter berichtigte die unstreitigen Masseansprüche und führte anschließend die Schlussverteilung entsprechend der Bestimmungen des Insolvenzplans durch.
Am xx. März 2014 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers gemäß § 258 Abs. 1 InsO aufgehoben.
Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens erging eine gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die „A & B GbR” für das Jahr 2012 (Datum des Bescheids: xx. Mai 2014). Der Feststellungsbescheid wurde gegenüber dem Liquidator der GbR bekannt gegeben.
Daraufhin erließ der Beklagte am xx. Juni 2014 einen gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuerbescheid 2012, in dem er die für den Kläger festgestellten Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 20.xxx € berücksichtigte. Weil das Insolvenzverfahren zwischenzeitlich aufgehoben worden war, wurde der geänderte Einkommensteuerbescheid nur noch den Klägern bekannt gegeben.
Der Einkommensteuerbescheid wies eine ...