Entscheidungsstichwort (Thema)
Abrechnungsbescheid über ESt 2010: Zur Erstattungsberechtigung nach § 37 Abs. 2 AO
Leitsatz (redaktionell)
- Über Streitigkeiten betr. die Verwirklichung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entscheidet das FA gemäß § 218 Abs. 2 Satz 1 AO durch VA. Das gilt auch dann, wenn die Streitigkeit einen Erstattungsanspruch betrifft.
- Zur Erstattungsberechtigung nach § 37 Abs. 2 AO.
- Bei miteinander verheirateten Gesamtschuldnern ist i.d.R. davon auszugehen, dass der eine Partner mit seiner Zahlung die Schuld des anderen mit begleichen will.
- Allein die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des einen Ehegatten lässt für sich genommen noch nicht den Schluss zu, dass der andere ab diesem Zeitpunkt nur noch seine eigenen Steuerschulden tilgen will.
Normenkette
AO § 37 Abs. 2, § 218 Abs. 2 S. 2; EStG § 36 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 S. 2
Streitjahr(e)
2010
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, auf die Einkommensteuerschuld welches Ehegatten Einkommensteuervorauszahlungen anzurechnen sind.
Der Kläger erzielt Einkünfte aus selbständiger Arbeit gemäß § 18 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Er wird mit seiner Ehefrau ab dem Veranlagungszeitraum 2007 unter der Steuernummer xxx0 gemäß §§ 26, 26b EStG zusammen zur Einkommen-steuer veranlagt. Für die Kalenderjahre 2003 bis 2006 wurde die Ehefrau --zuletzt unter der Steuernummer xxx1 -- einzeln zur Einkommensteuer veranlagt.
Im August 2008 wurde über das Vermögen der Ehefrau das Insolvenzverfahren eröffnet, das im März 2011 aufgehoben wurde. Seit März 2009 wurden aufgrund der von den Eheleuten erteilten Einzugsermächtigung u.a. sämtliche die Einkommensteuer betreffenden Zahlungen mittels Lastschrift eingezogen. Kontoinhaber war der Kläger. Die Eheleute trafen gegenüber dem FA keine Tilgungsbestimmungen.
Das beklagte Finanzamt (FA) erließ unter dem 4. März 2010 unter der Steuernummer der Eheleute und Angabe der Steueridentifikationsnummern einen Vorauszahlungsbescheid über Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag 2010 und 2011, mit dem es vierteljährlich fällige Vorauszahlungen in Höhe von jeweils xxx EUR für Einkommensteuer und xxx EUR Solidaritätszuschlag festsetzte. Die Festsetzung beruhte auf den Besteuerungsgrundlagen der für die Eheleute durchgeführten Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer 2008. Die Bekanntgabe erfolgte durch Einzelbekanntgabe an den Prozessbevollmächtigten als Empfangsbevollmächtigten des Klägers und den Insolvenzverwalter der Ehefrau. Die aufgrund dieser Festsetzung zu leistende Vorauszahlung buchte das FA gemäß der ihm vorliegenden Einzugsermächtigung am 10. März 2010 ab.
Mit geändertem Vorauszahlungsbescheid vom 12. April 2010 setzte das FA die vierteljährlich zu leistenden Vorauszahlungen zur Einkommensteuer auf xxx EUR und zum Solidaritätszuschlag auf xxx EUR herab. Die Bekanntgabe erfolgte wiederum durch Einzelbekanntgabe an den Prozessbevollmächtigten als Empfangsbevollmächtigten des Klägers und an den Insolvenzverwalter der Ehefrau. Die Bescheidausfertigungen enthielten die Erläuterungen „Sie schulden die nach diesem Bescheid zu entrichtenden Beträge gesamtschuldnerisch mit Ihrem Ehegatten (§ 44 Abgabenordnung).” bzw. „Der nicht in Insolvenz befindliche Ehegatte erhält einen Bescheid gleichen Inhalts”.
Das nach Herabsetzung der Vorauszahlung verbleibende Guthaben verrechnete das FA mit Steuerrückständen der Eheleute aus den Jahren 2008 und 2009 sowie ausschließlich auf die Ehefrau unter ihrer Steuernummer xxx1 entstandene Steuerrückstände. Die nach der Herabsetzung noch zu leistenden Vorauszahlungen buchte das FA wiederum gemäß der vorliegenden Einzugsermächtigung vom Konto des Klägers ab.
Mit Einkommensteuerbescheid für 2010 vom Juli 2012 wurden Einkommensteuer und, Erstattungszinsen festgesetzt. Die Anrechnung der geleisteten Vorauszahlungen führte zu einem Guthaben in Höhe von insgesamt 40.000,00 EUR, welches das FA nach Köpfen hälftig auf die Eheleute aufteilte. Den auf den Kläger entfallenden Erstattungsbetrag (20.000,00 EUR) verrechnete es mit offenen Steuerforderungen und zahlte den Restbetrag an den Kläger aus. Die der Ehefrau zugerechnete Hälfte der Steuererstattung rechnete es vollständig mit deren Zahlungsrückständen auf, in dem es den Betrag auf Einkommensteuer und Zinsen zur Einkommensteuer der Jahre 2003 und 2004 sowie Solidaritätszuschlag, Vollstreckungskosten und Säumniszuschläge umbuchte.
Der Kläger begehrte die Auszahlung des vom FA seiner Ehefrau zugerechneten Anteils. Die Vorauszahlungen seien ihm in voller Höhe zuzurechnen, weil er sämtliche Zahlungen geleistet habe und seine Ehefrau während des laufenden Insolvenzverfahrens auch keine eigenen Zahlungen habe erbringen können. Das FA lehnte den Antrag des Klägers ab und erließ einen Abrechnungsbescheid. Es hielt an seiner Entscheidung fest, dass die geleisteten Vorauszahlungen nach Köpfen auf beide Ehegatten aufzutei...