rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässigkeit der Aufrechnung eines nachinsolvenzlich entstandenen Einkommensteuer- und Solidaritätszuschlagserstattungsanspruchs mit einer im Insolvenzverfahren als Masseverbindlichkeit entstandenen Einkommensteuerverbindlichkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Ist im Insolvenzverfahren aufgrund von Verwertungshandlungen des Insolvenzverwalters eine Einkommensteuerschuld als Masseverbindlichkeit entstanden, die aufgrund von Masseunzulänglichkeit nicht beglichen werden konnte, so darf das FA nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens und Erteilung einer Restschuldbefreiung ein nach Beendigung des Insolvenzverfahrens entstandenes Einkommensteuer- und Solidaritätszuschlagsguthaben des früheren Insolvenzschuldners nicht gegen die aus dem Insolvenzverfahren herrührende Einkommensteuerschuld als Masseverbindlichkeit aufrechnen.
2. Der Insolvenzverwalter kann mit Wirkung für und gegen den Insolvenzschuldner lediglich gegenständlich beschränkt auf die Insolvenzmasse handeln, den Insolvenzschuldner jedoch nicht mit seinem insolvenzfreien Vermögen verpflichten. Die Haftung des Insolvenzschuldners für Masseverbindlichkeiten ist daher auf Massegegenstände beschränkt.
Normenkette
InsO § 55 Abs. 1 Nr. 1; AO § 226 Abs. 1, § 218 Abs. 2; BGB §§ 387, 390
Nachgehend
Tenor
1. Der Abrechnungsbescheid vom 31.03.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.07.2015 wird insoweit aufgehoben, als er über Umbuchungen in Höhe von 421 Euro und 18,65 Euro hinausgeht.
2. Dem Beklagten werden die Kosten des Verfahrens auferlegt.
3. Die Revision wird zugelassen.
4. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheides, in welchem der Beklagte gegen ein Einkommensteuer- und Solidaritätszuschlagsguthaben des Klägers insolvenzrechtliche Masseansprüche aufrechnet.
Über das Vermögen des Klägers wurde am 15.3.2007 das Insolvenzverfahren eröffnet. Im Zuge der Verwertung von Insolvenzmasse durch den Insolvenzverwalter entstand im Jahr 2008 Einkommensteuer, die aus der Masse nicht bezahlt werden konnte. Am 20.3.2012 zeigte der Insolvenzverwalter Masseunzulänglichkeit an. Am 15.7.2013 wurde das Insolvenzverfahren eingestellt und dem Kläger Restschuldbefreiung erteilt.
Am 27.3.2015 setzte der Beklagte gegen den Kläger die Einkommensteuer 2013 fest. Zugunsten des Klägers entstand ein Steuererstattungsanspruch in Höhe von 6.107 Euro (Einkommensteuer) und 313,95 (Solidaritätszuschlag). Am 31.3.2015 erließ der Beklagte einen Abrechnungsbescheid. Danach wurde der Anspruch auf Erstattung von Einkommensteuer in Höhe von 421 Euro sowie 18,65 Euro auf die Pflicht zur Vorauszahlung von Einkommensteuer und Kirchensteuer zum 1. Quartal 2015, in Höhe von 5.667,35 Euro aber auf Einkommensteuer 2008 umgebucht. Der Anspruch auf Erstattung von Solidaritätszuschlag wurde ebenfalls auf Einkommensteuer 2008 umgebucht.
Gegen den Abrechnungsbescheid erhob der Kläger Einspruch mit der Begründung, dass Einkommensteuerforderungen aus dem Jahr 2008 gegen die Masse zu richten seien, und mit dem Hinweis darauf, dass dem Kläger Restschuldbefreiung erteilt wurde. Am 13.7.2015 wies der Beklagte den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück. Der Beklagte führte aus, dass das Finanzamt nach Beendigung des Insolvenzverfahrens, da die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse vom Insolvenzverwalter auf den Kläger als Insolvenzschuldner übergegangen waren, die Einkommensteuer 2008 zu Recht gegen den Kläger festgesetzt habe. Für nicht ausgeglichene Masseverbindlichkeiten hafte der Insolvenzschuldner persönlich und unbeschränkt. Mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens entfalle die während des Insolvenzverfahrens geltende Haftungsbeschränkung, so dass Steuerforderungen in voller Höhe vollstreckt werden könnten. Die erteilte Restschuldbefreiung stehe nicht entgegen, da sie lediglich gegenüber Insolvenzgläubigern wirke. Massegläubiger seien aber keine Insolvenzgläubiger.
Am 3.8.2015 erhob der Kläger Klage zum Finanzgericht. Der Abrechnungsbescheid sei insoweit rechtswidrig, als er Erstattungsansprüche des Jahres 2013 gegen Masseverbindlichkeiten des Jahres 2008 aufrechne. Nach § 226 Abs. 1 AO i.V.m. § 387 BGB könne das Finanzamt nur mit vollwirksamen und fälligen Gegenforderungen aufrechnen. Diesen Anforderungen genüge die vom Beklagten dem Guthaben des Klägers entgegengehaltene Steuerforderung nicht. Die Steuerforderung sei eine vom Insolvenzverwalter begründete Masseverbindlichkeit, für die das insolvenzfreie Vermögen des Insolvenzschuldners nicht hafte. Es gebe einen feststehenden Grundsatz, dass der Insolvenzverwalter den Insolvenzschuldner persönlich nicht im Hinblick auf dessen insolvenzfreies Vermögen verpflichten kann. Eine Haftung des Insolvenzschuldners für...