Entscheidungsstichwort (Thema)
Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach insolvenzrechtlicher Anfechtung als Masseverbindlichkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Mit der Rückgewähr der an die Gläubiger zunächst geleisteten Zahlungen nach erfolgreicher Anfechtung durch den Insolvenzverwalter ist auch der vom Insolvenzschuldner vorgenommene Vorsteuerabzug rückgängig zu machen. Der Anspruch entsteht steuerlich erst mit der Rückzahlung.
2. Der wegen Rückgewähr von Zahlungen infolge insolvenzrechtlicher Anfechtung nach § 17 Abs. 1 S. 2 UStG bestehende Steueranspruch ist eine Masseverbindlichkeit i. S v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO und in die Umsatzsteuerfestsetzung betreffend die Masse einzubeziehen.
Normenkette
InsO § 55 Abs. 1 Nr. 1, §§ 38, 129; UStG § 17 Abs. 1 Sätze 2, 7, Abs. 2
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
Streitig ist, ob es sich bei Steuerforderungen um Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 der Insolvenzordnung (InsO) oder Insolvenzforderungen gemäß § 38 InsO handelt.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter im am 12. Mai 2010 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des X. Er reichte für die Insolvenzmasse eine Umsatzsteuererklärung für den Zeitraum 12. Mai bis 31. Dezember 2010 ein, in der er eine Umsatzsteuer in Höhe von 177,62 EUR errechnete (steuerpflichtige Umsätze: 1.613,– EUR; Vorsteuer: 128,64 EUR). Mit Schreiben vom 12. Februar 2014 reichte er unter der Steuernummer des Insolvenzschuldners eine Umsatzsteuererklärung für den Zeitraum 12. Mai bis 21. Dezember 2010 ein, in der er (nur) eine Vorsteuerberichtigung nach § 17 UStG für die nach erfolgreicher Anfechtung von Gläubigern nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (zurück) erhaltenen Beträge berücksichtigte (Erhöhung der Umsatzsteuer um 448,53 EUR). Es handelt sich dabei um folgende Zahlungseingänge (alle Beträge in EUR):
Zahlungseingang |
Anfechtungsgegner |
Brutto |
USt (19 %) |
20.05.2010 |
vorl. InsV |
889,65 |
142,04 |
07.10.2010 |
R |
1.600,00 |
255,46 |
25.10.2010 |
XYZ |
319,56 |
51,02 |
Summe |
|
2.809,21 |
448,43 |
Der Beklagte (das Finanzamt) war der Auffassung, dass die Umsatzsteuer (= rückgängig gemachter Vorsteuerabzug) für die eingegangenen Zahlungen bei der Insolvenzmasse zu berücksichtigen sei und erließ in der Folge am 18. März 2014 einen geänderten Bescheid über die Umsatzsteuer 2010 betreffend die Insolvenzmasse, in der er eine Steuer in Höhe von 626,36 EUR festsetzte (Umsätze: 1.613,– EUR; Vorsteuer: 128,64 EUR; berichtigte Steuer nach § 17 Abs. 1 Satz 6 UStG: 448,53 EUR). Das hiergegen durchgeführte Einspruchsverfahren blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 26. August 2014).
Mit seiner Klage macht der Kläger geltend, dass es sich bei den streitgegenständlichen Forderungen nicht um Masse-, sondern um Insolvenzforderungen handele. Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO lägen nur dann vor, wenn die Verbindlichkeiten nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch eine Handlung des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse „begründet” worden seien. Anfechtungsansprüche gemäß § 129 ff InsO begründeten keine Masseverbindlichkeiten (Hinweis auf BFH-Beschluss vom 1. April 2008 X B 201/07).
Bereits die Anfechtbarkeit einer Zahlung begründe den Rückgewähranspruch, so dass schon vor der Verfahrenseröffnung nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund für den Steueranspruch gelegt sei. Sei der steuerbare Tatbestand vor Insolvenzeröffnung verwirklicht, habe die Steuerforderung nur den Rang einer Insolvenzforderung, auch wenn sie erst später steuerrechtlich entstehe. Das Entstehen oder die Fälligkeit einer Steuerforderung seien nicht maßgeblich für das insolvenzrechtliche Begründetsein. Auch aus den weiteren Regelungen der InsO ergebe sich, dass die Anfechtung von Zahlungen nicht zu Steuerbelastungen der Masse führen könne. So sei Rechtsfolge der Anfechtung gemäß § 144 InsO, dass nach der Rückerstattung des Erlangten die (ursprünglich) getilgte Forderung mit Rückwirkung auf die Zeit vor Verfahrenseröffnung wieder auflebe. Andernfalls würde die Insolvenzanfechtung ihren Zweck nicht erfüllen können; im Ergebnis würde dies eine Wiedereinführung von Vorrechten für Steuerforderungen bedeuten. Der neu eingefügte § 55 Abs. 4 InsO, wonach Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus einem Steuerverhältnis, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden seien, nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeiten gälten, finde erst auf Insolvenzverfahren Anwendung, die am 1. Januar 2011 oder später beantragt worden seien.
Schließlich könne die Rechtsprechung des BFH zu § 15a UStG für den vorliegenden Fall nicht herangezogen werden. Im dortigen Fall (BFH-Urteil vom 9. Februar 2011 XI R 35/09) sei der Vorsteuerberichtigungsanspruch erst dadurch entstanden, dass der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entschieden habe, Immobili...