Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufrechnung von Umsatzsteuer-Erstattungsansprüchen aus Neuerwerb des Gemeinschuldners mit Insolvenzforderungen
Leitsatz (redaktionell)
Nimmt der Gemeinschuldner mit Zustimmung des Insolvenzverwalters eine neue gewerbliche Tätigkeit auf, so ist das Finanzamt nicht gehindert, ihm aus diesem Neuerwerb zustehende Umsatzsteuer-Erstattungsansprüche gegen alte, im Insolvenzverfahren zur Tabelle angemeldete Steuerrückstände aufzurechnen.
Normenkette
InsO § 287 Abs. 2, §§ 294, 295 Abs. 2; AO § 226; BGB § 387
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die vom Beklagten in einem Abrechnungsbescheid getroffene Feststellung, dass der Anspruch des Klägers auf Auszahlung des Guthabens aus einer Umsatzsteuer-Voranmeldung (UStVA) für sein aktuell betriebenes Unternehmen durch Verrechnung mit Umsatzsteuer-Rückständen aus einem früheren – insolvent gewordenen Unternehmen des Klägers – erloschen ist.
Der Kläger ist seit 1994 im Bereich Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerk gewerblich tätig. Er betrieb unter der Firma „FW” ein Einzelunternehmen mit der Steuernummer 161/289/02310. Am 11. März und 10. April 2003 wurden gegen ihn Steuerforderungen in Höhe 8.679,12 EUR für Umsatzsteuer der Monate Januar und Februar 2003 fällig. Mit Beschluss vom 15. September 2003 eröffnete das Amtsgericht das Insolvenzverfahren über sein Vermögen. Der Insolvenzverwalter nahm den Betrieb mangels vorhandener Mittel nicht wieder auf und meldete das Gewerbe ab. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über dieses Einzelunternehmen war der Kläger Geschäftsführer einer neu gegründeten Firma FW GmbH bis zu deren Insolvenz im Oktober 2004. Zum 1. März 2005 hat der Kläger erneut ein Einzelunternehmen angemeldet, in dem er Arbeitnehmer beschäftigte und für das die Steuernummer 161/289/00105 vergeben wurde. Der Insolvenzverwalter des alten Einzelunternehmens gab den neuen Gewerbebetrieb mit allen Aktiva und Passiva endgültig und bedingungslos aus dem Insolvenzbeschlag frei und wies den Kläger auf seine Verpflichtungen nach § 295 Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO) hin. Danach hat der Gemeinschuldner, weil er eine selbstständige Tätigkeit ausübt, die Insolvenzgläubiger durch Zahlungen an einen Treuhänder so zu stellen, wie wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre. Dies ist eine der Voraussetzungen dafür, um gem. §§ 286 ff InsO die Restschuldbefreiung gegenüber den Insolvenzgläubigern erreichen zu können. Nach übereinstimmendem Vortrag der Beteiligten befindet sich der Kläger in der Wohlverhaltensphase im Sinne des § 287 Abs. 2 InsO.
Soweit der Kläger Lieferungen und Leistungen als Subunternehmer erbringt, schuldet nicht er, sondern nach § 13b des Umsatzsteuergesetzes – UStG – der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer, wenn dieser ein Unternehmer ist, der ebenfalls Bauleistungen erbringt. Der sog. Neuerwerb des Klägers führt daher vermehrt zu Überhängen von Vorsteuerbeträgen und damit zu Steuererstattungsansprüchen, so auch für den Monat Mai 2005 i. H. v. 4.138,10 EUR.
Unter dem 28. Juni 2005 teilte das beklagte Finanzamt (FA) dem Kläger mit, dass es seine Steuerforderungen aus der Umsatzsteuer für Januar und Februar 2003 gegen den o. g. Erstattungsanspruch aufrechne. Nachdem im Verwaltungsverfahren hiergegen Bedenken erhoben wurden, stellte das FA mit Abrechnungsbescheid vom 15. August 2005 fest, dass der Erstattungsanspruch des Klägers durch Aufrechnung erloschen sei.
Im Einspruchsverfahren gegen die Verrechnung des Erstattungsbetrags für Mai 2005 trug der Kläger zur Begründung im Wesentlichen vor, dass eine Aufrechnungslage nicht gegeben und daher unzulässig sei. Schon der Umstand, dass das FA für die Insolvenzfirma und den Neuerwerb zwei getrennte Steuernummern vergeben habe, deute darauf hin, dass es sich um unterschiedliche Rechtspersönlichkeiten handele.
Die Verfahrensweise des FA führe zu einer Besserstellung gegenüber anderen Gläubigern, da sich das FA einen nach § 294 InsO unzulässigen Tilgungsvorteil für seine angemeldeten Insolvenzforderungen verschaffe.
Die Freigabe durch den Insolvenzverwalter führe nicht dazu, dass der Kläger im Rahmen der Wohlverhaltensphase frei über sein Vermögen verfügen könne, denn diesbezüglich sei er gegenüber dem Insolvenzverwalter nach wie vor abrechnungspflichtig. Zu einem Gewinn könne der neue Gewerbebetrieb des Klägers erst dann führen, wenn nach Abzug aller Kosten ein Überschuss verbliebe. Voraussetzung dafür sei aber die Erstattung der verauslagten Umsatzsteuern zugunsten des neuen Gewerbebetriebes. Durch die permanente Aufrechnung mit Altschulden entstehe ein Wettbewerbsnachteil und der Gewerbebetrieb werde zwecklos. Das FA verhindere die Schaffung einer neuen Existenzgrundlage und zwinge den Kläger erneut Insolvenz zu beantragen.
Der Einspruch wurde mit Entscheidung vom 25. Juli 2007 als unbegründet zurückgewiesen.
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