Die Möglichkeit der Fristverlängerung ergibt sich für die Anzeigen der Beteiligten unmittelbar aus § 109 AO, weil Anzeigen der Beteiligten gem. § 19 Abs. 5 GrEStG Steuererklärungen i.S.d. AO sind. Für die nach § 18 GrEStG Anzeigeverpflichteten ergibt sich die Möglichkeit der Fristverlängerung in analoger Anwendung des § 109 AO. Der entsprechende Antrag muss jedoch innerhalb der Zwei-Wochen-Frist gestellt werden.
Die etwaige Unkenntnis eines Beteiligten über seine Anzeigepflicht nach § 19 GrEStG schließt die Anwendung des § 16 Abs. 5 GrEStG hingegen nicht aus. Für die Anwendung des § 16 Abs. 5 GrEStG ist es unerheblich, aus welchen Gründen ein von dieser Vorschrift erfasster Erwerbsvorgang nicht ordnungsgemäß angezeigt wurde. Denn die gesetzlich vorgeschriebene Pflicht der Beteiligten zur Anzeige der der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgänge ist objektiver Natur und besteht unabhängig von subjektiven Kenntnissen und Fähigkeiten des zur Anzeige Verpflichteten. Daher ist die Anzeigepflicht der Beteiligten nicht davon abhängig, ob und inwieweit diese die Grunderwerbsteuerpflichtigkeit eines Rechtsvorgangs erkannt haben bzw. wussten, dass insoweit eine Anzeigepflicht bestand (BFH v. 12.6.1996 – II R 3/93, BStBl. II 1996, 485).
Ebenso kommt nach Ablauf der Anzeigefrist eine rückwirkende Fristverlängerung nach § 109 Abs. 1 Satz 2 AO zur erstmaligen Erstattung der Anzeige nicht in Betracht. Bei der Ermessensentscheidung über eine rückwirkende Fristverlängerung ist maßgeblich der Zweck der Frist zu berücksichtigen (Brandis in Tipke/Kruse, AO, § 109 Rz. 4). In diesem Sinne hat auch FG München in seiner Entscheidung v. 20.1.2021 entschieden (FG München v. 20.1.2021 – 4 K 270/20, EFG 2021, 570 = ErbStB 2021, 104 [Halaczinsky]).
Beraterhinweis Gegen das Urteil war eine Revision beim BFH anhängig. In seiner Entscheidung vom 21.6.2023 hat der erkennende Senat das Urteil des FG München aufgehoben (BFH v. 21.6.2023 – II R 2/21, BStBl. II 2023, 1057 = EStB 2023, 428 [Günther]). Er ist zu dem Ergebnis gelangt, dass es für die Erfüllung der Anzeigepflicht ausreicht, wenn der Notar eine Anzeige erstattet, die zwar nach der gem. § 18 Abs. 3 GrEStG für den Notar laufenden Frist verspätet ist, die dem zuständigen FA aber innerhalb der nach § 19 Abs. 3 GrEStG für den Steuerschuldner geltenden Frist zugeht. In einem solchen Fall werde der Zweck des § 16 Abs. 5 GrEStG gewahrt, nämlich auf Grundlage einer entsprechenden Anzeige dem FA die ordnungsgemäße Prüfung des Steuerfalls zu ermöglichen. Im Urteilsfall fiel der Beginn der Fristen für den Notar und den betroffenen Stpfl. aufgrund der Besonderheiten des Sachverhaltes auf verschiedene Daten.
Der Zweck des § 16 Abs. 5 GrEStG, die Beteiligten durch die hier angeordneten nachteiligen Folgen einer Verletzung der Anzeigepflicht zur ordnungsgemäßen und insb. auch fristgerechten Anzeigeerstattung anzuhalten, steht grundsätzlich einer Verpflichtung der Finanzbehörde zur rückwirkenden Fristverlängerung für die erstmalige Erstattung der Anzeige entgegen. Dies gilt insb. dann, wenn der Anzeigeverpflichtete seinen Antrag auf rückwirkende Fristverlängerung lediglich mit der Unkenntnis seiner Anzeigepflicht begründet.
Die für Notare geltende Frist des § 18 Abs. 3 GrEStG ist generell nicht nach § 109 AO verlängerungsfähig, da es sich dabei weder um einen vom FA gesetzte Frist noch um eine Steuererklärungsfrist handelt. Sie ist mit der den Beteiligten eingeräumten Frist nach § 19 Abs. 3 GrEStG nicht vergleichbar (FG München v. 26.10.2022 – 4 K 2345/21, EFG 2023, 285 = GmbHR 2023, 200 [Wachter]). Zu dieser Rechtsfrage ist allerdings noch eine durch den BFH zugelassene Revision unter dem Az. II R 22/23 anhängig.