Die MwStSystRL selbst enthält keine ausdrücklichen Vorschriften zur Bekämpfung von Umsatzsteuerbetrug.
Möglichkeiten der Mitgliedstaaten Maßnahmen gg. Steuerhinterziehung zu ergreifen: Die Mitgliedstaaten haben allerdings nach Art. 131 die Möglichkeit, für die Anwendbarkeit von Steuerbefreiungen die Bedingungen "zur Verhinderung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung oder Missbrauch" festzulegen. Darüber hinaus kann die EU-Kommission gem. Art. 394 und 395 MwStSystRL einzelne Mitgliedstaaten zu Maßnahmen ermächtigen, die diese zur Verhinderung von Steuerhinterziehungen oder -umgehungen ergreifen wollen. Zur Verkürzung der Reaktionszeit auf erkannte neue Betrugsmodelle wurde mit Art. 199b der sog. "Schnellreaktionsmechanismus" eingeführt, der die Grundlage für § 13b Abs. 10 UStG bildet.
Umfangreiche EuGH-Rechtsprechung verknüpft Vorsteuerabzug und Betrugsthematik: Die Umsatzsteuer-Betrugsbekämpfung kann sich auf umfangreiche Rechtsprechung des EuGH stützen. Der EuGH hat u.a. herausgearbeitet, dass der Missbrauch von Vorschriften des Umsatzsteuerrechts zur Erlangung eines Steuervorteils unzulässig ist und die Bekämpfung von Umsatzsteuerbetrug als ein weiteres Grundprinzip des Umsatzsteuerrechts anzusehen ist. Die Nichtkenntnis von Umsatzsteuerbetrug ist damit eine weitere Voraussetzung für den Vorsteuerabzug oder die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen. Diese inhaltliche Erweiterung des Umsatzsteuerrechts ohne ausdrückliche Grundlage im EU-Recht ist nicht unbedenklich.
Der BFH hat sich der Auslegung durch den EuGH angeschlossen, da "(...) die Mitgliedstaaten unionsrechtlich nach Art. 325 Abs. 1 AEUV Betrügereien und sonstige gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtete rechtswidrige Handlungen mit Maßnahmen zu bekämpfen (haben), die wirksam und abschreckend sind. Dabei umfassen die finanziellen Interessen der Union auch die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer".
Die Unbestimmtheit mancher Begriffe und Prinzipien, die von der Rechtsprechung und ihr folgend der Finanzverwaltung verwendet werden, führt in der Praxis regelmäßig zu unterschiedlichen Auffassungen der Finanzbehörden und der Steuerpflichtigen. Die Vorstellungen, was dem Unternehmer im Tagesgeschäft vernünftigerweise zugemutet werden kann, um zu prüfen, ob einer seiner (Vor-) Lieferanten oder Abnehmer in Betrugsabsicht handelt, sind naturgemäß unterschiedlich und müssen jeweils die Umstände des Einzelfalls berücksichtigen.
Schwierige Rechtsbegriffe "Kenntnis" und "Wissen-müssen": Ein wesentliches Kriterium der Rechtsprechung, um einen Beteiligten an einer Lieferkette als Steuerstraftäter einzustufen, ist dessen positive oder zumindest mögliche Kenntnis des Betrugs eines anderen Unternehmers ("Wissen oder hätte wissen müssen"). D.h., selbst ohne positive Kenntnis von der Steuerhinterziehung eines Vorlieferanten oder eines Abnehmers kann ein Unternehmer mit der Versagung von Vorsteuerabzug oder Steuerbefreiung bestraft werden, sofern er den Betrug hätte erkennen können. Der unbestimmte Rechtsbegriff des "Wissen-müssens" wurde durch Einzelfallrechtsprechung des EuGH, BFH und zuletzt durch die deutsche Finanzverwaltung in einem BMF-Schreiben zu § 25f UStG konkretisiert. Obwohl die Beweislast für die Kenntnis des Unternehmers vom Steuerbetrug eines anderen bei der Finanzverwaltung liegt, wird diese Beweislast umgekehrt, wenn ausreichende Indizien dafür vorliegen, dass der Unternehmer die Unredlichkeit eines anderen Beteiligten hätte erkennen können. Streit über das ausreichende Maß an Indizien und die zu treffenden Verhinderungsmaßnahmen ist hier vorprogrammiert, da im Geschäftsalltag nicht alle Geschäftsbeziehungen eindeutig als "zweifelsfrei unbedenklich" eingestuft werden können.
Bei Zahlungsschwierigkeiten bleibt Vorsteuerabzug erhalten: Wenn kein Betrug vorliegt und ein Lieferant seine Umsatzsteuer aufgrund von "finanziellen Schwierigkeiten oder Zahlungsunfähigkeit" nicht entrichten konnte, bleibt jedoch für dessen Abnehmer der Vorsteuerabzug erhalten. Die Entrichtung der Umsatzsteuer durch den Leistenden ist keine Voraussetzung für den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers – solange keine Betrugsabsicht nachgewiesen werden kann.