Kommentar
Eine Entschädigung für die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses ( § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG ) ist nur dann tarifbegünstigt mit dem halben Steuersatz zu besteuern ( § 34 Abs. 1 u. 2 Nr. 2 EStG ), wenn sie zu einer Zusammenballung von Einnahmen innerhalb eines Veranlagungszeitraums führt ( Abfindungen und Entschädigungen ).
Hieran fehlt es, wenn die Entschädigung, die bis zum Jahresende entgehenden Einnahmen nicht übersteigt, da die Tarifbegünstigung progressionsbedingte Härten mindern soll.
Scheidet ein angestellter Handelsvertreter , der einschließlich Provisionen Bruttoarbeitslöhne von 140.748 DM (1988) und 221.517 DM (1989) bezogen hatte, zum 30. 4. 1990 auf Veranlassung des Arbeitgebers aus und erhält er zum Ausgleich 100.000 DM, kommt für die Besteuerung der 76.000 DM (die den steuerfreien Teilbetrag von 24.000 DM gem. § 3 Nr. 9 EStG übersteigen), kein ermäßigter Steuersatz in Betracht. Bei Berechnung der Einkünfte, die der Steuerpflichtige bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses 1990 erhalten hätte, ist von den Lohneinkünften der Vorjahre auszugehen.
Entsprechend diesem Vergleich erzielte der Handelsvertreter im Jahr 1990 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (inkl. Abfindung), die er betragsmäßig auch bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bekommen hätte.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 04.03.1998, XI R 46/97
Anmerkung:
Der XI. Senat des BFH weicht mit seiner Ansicht von der Auffassung der Finanzverwaltung (BMF, Schreiben v. 18. 11. 1997, BStBl 1997 I S.973) und dem Schrifttum (darunter der Präsident des BFH Offerhaus) ab. Die Finanzverwaltung stellt unabhängig von der Zahlungshöhe auf die Auflösungsgründe ab und wendet sich gegen die vom BFH angestellte Rechenoperation, daß lediglich die Einnahmen eines Kalenderjahres abgegolten würden. In der Tat löst sich der BFH vom Wortlaut der § 24 EStG , § 34 EStG , wenn er eine Zusammenballung von Einkünften schon deswegen verneint, weil sich die Entschädigung im Bereich der bisherigen Einnahmen hält. Zum Vergleich: Auch kleinere Veräußerungsgewinne, die die bisherigen laufenden Gewinne nicht übersteigen, sind zweifellos nach § 34 EStG nur mit dem halben Steuersatz zu erfassen. Unterstellt man, daß der für die Streitfrage ausschließlich zuständige XI. Senat weiterhin bei seiner Auffassung bleibt, bleibt nur zu hoffen, daß das BMF ebenfalls an seiner Ansicht festhält, diese evtl. in einem weiteren Schreiben vertieft und so der BFH-Rechtsprechung ihre Wirkung nimmt.