Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer
Leitsatz
1. Die Privilegierung der Einkünfte aus Kapitalvermögen, die nach § 32d Abs. 1 EStG in Höhe von 25 % besteuert werden, gegenüber anderen progressiv besteuerten Einkunftsarten ist verfassungsgemäß.
2. Die Anwendung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 32d Abs. 1 EStG ist nicht schon deshalb nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG ausgeschlossen, weil Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge Angehörige i.S.d. § 15 AO sind. Diese einschränkende Auslegung des Ausschlusstatbestandes entspricht dem Willen des Gesetzgebers und ist auch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten.
3. Gewährt der Steuerpflichtige seiner Ehefrau und seinen Abkömmlingen ein Darlehen zur Anschaffung einer Immobilie, die von diesen in der Rechtsform der GbR an fremde Dritte vermietet wird, und ist der Darlehensvertrag nach dem Maßstab des Fremdvergleichs der Besteuerung zugrunde zu legen, kann nicht bereits aufgrund des Fehlens einer Besicherung oder der Regelung über eine Vorfälligkeitsentschädigung auf eine missbräuchliche Ausnutzung des Abgeltungsteuersatzes geschlossen werden. Dies gilt auch dann, wenn aufgrund des Steuersatzgefälles bei dem Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge ein sog. Gesamtbelastungsvorteil entsteht.
Normenkette
§ 32d Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a, § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, § 15 AO, Art. 6 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG, § 1 Abs. 2 AStG, § 138 InsO, § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG
Sachverhalt
Der Kläger schloss mit seiner Ehefrau und den volljährigen Kindern schriftliche Verträge über die Gewährung festverzinslicher Darlehen ab. Die Darlehen dienten der Anschaffung eines an fremde Dritte vermieteten Gebäudes. Der Erwerb und die Vermietung des Gebäudes erfolgte durch eine von den Darlehensnehmern gegründete GbR. Zur Sicherung der Darlehen traten die Darlehensnehmer dem Kläger die Mietüberschüsse aus dem finanzierten Objekt ab. Eine Vereinbarung über eine Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Tilgung der Darlehen wurde nicht getroffen. Im gleichen Jahr gewährte der Kläger seiner Ehefrau ein weiteres Darlehen für den Erwerb des Anteils an einer von der GbR vermieteten Eigentumswohnung in Höhe von 57.500 EUR. Auf die Besicherung des Darlehens wurde in dem schriftlichen Darlehensvertrag verzichtet, da das Objekt nicht mit Grundpfandrechten belastet war. Der Kläger erzielte im Streitjahr 2009 aus den Darlehen Kapitalerträge in Höhe von insgesamt 10.392 EUR, die das FA nicht mit dem gesonderten Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 32d Abs. 1 EStG, sondern mit dem tariflichen Einkommensteuersatz nach § 32a EStG besteuerte.
Die dagegen erhobene Sprungklage blieb erfolglos (FG München, Urteil vom 26.2.2013, 11 K 2365/10, Haufe-Index 5190506, EFG 2013, 1764).
Entscheidung
Die Revision der Kläger hatte hingegen Erfolg. Der Kläger als Darlehensgeber und seine Ehefrau und seine Kinder als Darlehensnehmer seien keine einander nahestehende Personen i.S.v. § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG. Das von der Vorschrift vorausgesetzte Beherrschungsverhältnis oder ein wirtschaftliches Interesse jeweils an der Einkünfteerzielung des Anderen seien nicht gegeben.
Hinweis
Hier kann auf die Praxis-Hinweise zum vorstehend besprochenen Urteil vom 29.4.2014, VIII R 9/13 verwiesen werden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 29.4.2014 – VIII R 44/13