Ewald Dötsch, Prof. Dr. Franz Dötsch
Leitsatz
Erbringt ein wesentlich beteiligter Gesellschafter einer GmbH an deren Sitz unentgeltlich Dienstleistungen für die GmbH, dann sind seine Aufwendungen für die Fahrten dorthin in der Regel Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Kapitalvermögen und keine nachträglichen Anschaffungskosten seiner Beteiligung.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 EStG , § 17 EStG , § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG
Sachverhalt
Der Kläger ist wesentlich (mit 37,5 %) an der D-GmbH beteiligt. Für das Streitjahr 1995 machte er Fahrtkosten betreffend Fahrten von seinem Wohnsitz in Nordrhein-Westfalen zum Sitz der GmbH in Thüringen in Höhe von 16.380 DM als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Kapitalvermögen geltend. Hierzu trug er vor, die GmbH habe 1995 keinen geeigneten Betriebsleiter finden können. Er habe daher als Ingenieur die Auftragsarbeiten der GmbH vor Ort überwachen müssen. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage der GmbH habe er auf jede Vergütung und auf Ersatz seiner Reisekosten verzichtet. Auch die anderen Gesellschafter hätten unentgeltliche Leistungen an die GmbH erbracht.
Das FA lehnte den Abzug der streitigen Kosten ab. Die Klage blieb erfolglos (vgl. EFG 2000, 995). Auf die Revision des Klägers hob der BFH die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.
Entscheidung
Auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des FG seien die streitigen Fahrtkosten dem Grund nach als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus seiner GmbH-Beteiligung (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) abziehbar. Zwischen den streitigen Aufwendungen und den vom Kläger erstrebten Einnahmen aus der GmbH-Beteiligung könne ein wirtschaftlicher Zusammenhang bestehen, weil die von den Gesellschaftern gewährten unentgeltlichen Nutzungsvorteile den Gewinn der Kapitalgesellschaft erhöhten und die Gesellschafter an ihm nach Maßgabe der Gewinnausschüttung teilnähmen.
Der allgemeine Werbungskostenbegriff werde für die Einkünfte aus Kapitalvermögen eines wesentlich beteiligten Gesellschafters nicht etwa durch § 17 EStG eingeschränkt. Denn als nachträgliche Anschaffungskosten i.S.d. § 17 EStG seien nachträgliche Aufwendungen, die einem wesentlich beteiligten Gesellschafter im Zusammenhang mit seiner Beteiligung entstünden, nur dann zu behandeln, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und weder Werbungskosten gem. §§ 9, 20 EStG noch Veräußerungskosten gemäß § 17 EStG seien.
Die Sache sei nicht spruchreif, da das FG keine Feststellungen zur Höhe der Aufwendungen getroffen habe. Das FG werde im Hinblick darauf, dass einer der Mitgesellschafter ein Bruder des Klägers sei, auch der Frage nachzugehen haben, ob die Fahrtkosten ungekürzt abgezogen werden könnten oder ob zu dem Prozentsatz der Beteiligung des Bruders eine Zuwendung an diesen vorliege.
Hinweis
1. Das Besprechungsurteil folgt der ständigen Rechtsprechung des BFH, wonach der Kapitalgesellschafter Aufwendungen, die ihm im Zusammenhang mit sog. Nutzungseinlagen (z.B. durch unentgeltliche Darlehensgewährung, unentgeltliche Überlassung von Wirtschaftsgütern oder – wie hier – durch unentgeltliche Dienstleistungen) in die Gesellschaft entstehen, als Werbungskosten (Betriebsausgaben) bei seinen Einkünften aus der Beteiligung (meist i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) abziehen kann.
2. Derartige Nutzungseinlagen führen dagegen nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung (i.S.v. § 17 EStG), weil sie nach der Rechtsprechung des BFH (grundlegend: Beschluss vom 26.10.1987, GrS 2/86, BStBl II 1988, 348) in steuerrechtlicher Hinsicht nicht als einlagefähige Wirtschaftsgüter in Betracht kommen und deshalb auch keine verdeckten Einlagen in die Kapitalgesellschaft sein können.
3. Die streitigen Fahrtkosten wären auch dann einkommensteuermindernd zu berücksichtigen gewesen, wenn der Kläger die Dienstleistungen nicht unentgeltlich, sondern (voll)entgeltlich, etwa im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses mit der GmbH, erbracht hätte. In diesem Fall wären die Fahrtkosten Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit gewesen.
4. Beim hier allerdings nicht gegebenen Fall einer teil(un)entgeltlichen Dienstleistung oder Nutzungsüberlassung ist der Vorgang in einen unentgeltlichen und einen entgeltlichen Teil aufzuspalten (näher dazu BFH, Urteil vom 25.7.2000, VIII R 55/99, BFH/NV 2001, BFH-PR 2001,242).
5. Zur ggf. vorzunehmenden Kappung des Werbungskosten- bzw. Betriebsausgabenabzugs bei sog. disquotalen (inkongruenten) Nutzungseinlagen vgl. z.B. BFH, Urteil vom 28.5.2000, VIII R 68/96, BFHE 191, 505.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 2.5.2001, VIII R 32/00