Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen sind, jederzeit – d. h. auch nach Eintritt der Bestandskraft des Bescheids – berichtigen (§ 129 AO).
Unter "ähnlichen" offenbaren Unrichtigkeiten versteht man mechanische Versehen, die ebenso mechanisch – d. h. ohne weitere Prüfung – erkannt und berichtigt werden können (BFH, Beschluss v. 27. 5. 1998, IV B 151/97, BFH/NV 1998 S. 1452; BFH, Urteil v. 18. 8. 1999, I R 93/98, BFH/NV 2000 S. 539).
Eine offenbare Unrichtigkeit liegt dagegen nicht vor, wenn auch nur die theoretische Möglichkeit eines Rechtsirrtums, eines Denkfehlers, einer unvollständigen Sachverhaltaufklärung oder einer unrichtigen Sachverhaltswürdigung besteht (BFH, Urteil v. 5. 2. 1998, IV R 17/97, BStBl 1998 II S. 535, BFH/NV 1998 S. 1148). Unterlässt der Sachbearbeiter der Finanzbehörde eine aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen erforderliche Sachverhaltsermittlung, so liegt kein mechanisches Versehen vor.
Auch im Streitfall kam es darauf an, ob nur ein mechanisches Versehen vorgelegen hat. Hier hatte ein Steuerpflichtiger (Kläger) mit dem FA zur Beendigung mehrerer Steuerstreitigkeiten eine Vereinbarung getroffen. Sie sah vor, dass ein Betrag von 252.349 DM, den der Kläger als Haftender für die Schulden einer GmbH gezahlt hatte, in die nach § 10d EStG vorzunehmende Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zum 31. 12. 1990 einbezogen werden sollte. Das FA kam seiner Zusage durch Erlass eines entsprechenden Bescheids nach, übersah dabei jedoch, dass der Betrag von 253.349 DM – entsprechend der Steuererklärung 1990 – bereits im ESt-Bescheid für 1990 steuermindernd berücksichtigt worden war. Diese doppelte Erfassung von negativen Einkünften sah das FA als "offenbare Unrichtigkeit" i. S. des § 129 AO an und änderte demgemäß den inzwischen bestandskräftigen Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs.
Der BFH ist der Auffassung des FA nicht gefolgt. Er sieht den Fehler des FA darin, dass es die Angaben des Klägers nicht näher auf ihre Richtigkeit und auf ihre Stimmigkeit überprüft hatte. Diesen Fehler hat der BFH – m. E. zu Recht – dem Bereich der unterlassenen Sachverhaltsaufklärung zugeordnet und damit die Beurteilung als "ähnliche offenbare Unrichtigkeit" im Sinne des § 129 AO ausgeschlossen. Da die Voraussetzungen für eine Berichtigung nach § 129 AO demzufolge nicht gegeben waren, hat der BFH den Berichtigungsbescheid aufgehoben mit der Folge, dass der vorausgegangene – dem Steuerpflichtigen günstige – Erstbescheid wieder aufgelebt ist.
Viel Neues enthält das BFH-Urteil nicht. Die Grenze zwischen dem mechanischen Versehen (Verschreiben, Verrechnen, Vertauschen usw.) einerseits und dem auf unrichtiger Rechtsanwendung oder mangelnder Sachaufklärung beruhenden Fehler andererseits ist oft schwierig zu ziehen. Das zeigt auch der vorliegende Fall: Die Vorinstanz – das FG – hatte den Fall im gegenteiligen Sinne entschieden.