Leitsatz
Nach der Rechtslage des Jahres 2010 sind Ausschüttungen einer Luxemburger SICAV an eine inländische Kapitalgesellschaft, der mindestens 25 % der stimmberechtigten Anteile an der SICAV gehören, wegen des sog. abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs des DBA-Luxemburg 1958 von der Besteuerung im Inland ausgenommen.
Normenkette
Art. 13 Abs. 1, Art. 20 Abs. 2 Satz 3, Schlussprotokoll Nr. 1, Nr. 12 DBA-Luxemburg 1958
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine GmbH, deren Unternehmensgegenstand die Verwaltung und langfristige Verwaltung eigenen Vermögens ist. Mittelbar sind Banken an der GmbH beteiligt.
Seit Dezember 2009 ist die Klägerin mit 99,3 % der stimmberechtigten Anteile an der im April 2009 in Luxemburg gegründeten B-SICAV beteiligt. Die B-SICAV ist eine Aktiengesellschaft (société anonyme) in der Form einer offenen Investmentgesellschaft nach luxemburgischem Recht. Sie hat ihren Sitz in Luxemburg und beschäftigt in ihren dortigen Geschäftsräumen ca. 10 Mitarbeiter. Nach ihrer Satzung kann sie mehrere Aktionäre haben und dem Anleger nach freiem Ermessen einen oder mehrere Teilfonds anbieten (sog. Umbrella-Konstruktion). Die Gesamtheit der Teilfonds ergibt den Umbrellafonds, wobei die Rechte und Pflichten der Anteilsinhaber in der Satzung geregelt sind. Gesellschaftszweck der B-SICAV ist der Erwerb, der Verkauf und die Verwaltung von Wertpapieren und sonstigen Vermögenswerten nach dem Grundsatz der Risikostreuung und mit dem Ziel, dass die Aktionäre von der Verwaltung ihrer Anlage profitieren. Das Gesellschaftskapital entspricht zu jeder Zeit dem Gesamtnettowert der verschiedenen Teilfonds. Die Gesellschaft ist verpflichtet, Anteile jederzeit zurückzukaufen. Die Geschäfte der Gesellschaft werden durch einen Verwaltungsrat geführt, der von der Gesellschafterversammlung gewählt wird. Dieser beschließt auch über Zwischenausschüttungen aus den Teilfonds.
Nach dem im Streitjahr 2010 in Luxemburg geltenden Recht unterliegt u.a. die SICAV keiner dortigen Steuer mit Ausnahme von Kapitalverkehr- und Abgeltungsteuern. Die vorgenommenen Ausschüttungen unterlagen in Luxemburg keiner Quellensteuer und wurden bei nicht gebietsansässigen Empfängern nicht besteuert.
Die Klägerin erhielt im Streitjahr von der B-SICAV aus dem Teilgesellschaftsvermögen Gewinnausschüttungen. In ihren Steuererklärungen deklarierte die Klägerin diese Gewinnausschüttungen – unter Berücksichtigung nicht abziehbarer Betriebsausgaben i.H.v. 5 % gemäß § 8b Abs. 5 KStG – als steuerfrei nach dem sog. Schachtelprivileg des Art. 20 Abs. 2 Satz 3 des DBA-Luxemburg 1958.
Das FA kam zu der Auffassung, dass das abkommensrechtliche Schachtelprivileg nicht einschlägig sei, weil es sich bei der B-SICAV nicht um eine Kapitalgesellschaft handele und überdies die Ausschüttungen keine Dividenden i.S.d. Schachtelprivilegs seien. Das FA sah die Ausschüttungen vielmehr als Investmenterträge an, die nach Maßgabe des InvStG 2004 zu ermitteln seien und deren Berücksichtigung im Rahmen der inländischen steuerlichen Bemessungsgrundlagen durch das DBA-Luxemburg 1958 nicht ausgeschlossen sei.
Die dagegen gerichtete Klage war erfolgreich (FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22.3.2017, 3 K 383/16, Haufe-Index 11289054, EFG 2017, 1943).
Entscheidung
Der BFH bestätigte das klagestattgebende Urteil des FG als rechtsfehlerfrei. Die Revision des FA wies er daher als unbegründet zurück.
Hinweis
1. Sog. weiße Einkünfte, die weder im Inland noch im Ausland einer Besteuerung unterliegen, können in grenzüberschreitenden Fällen durchaus entstehen, wie dem Besprechungsurteil zu Ausschüttungen einer luxemburgischen Investmentaktiengesellschaft (SICAV – Société d’invetissement á capital variable) zu entnehmen ist. Dass die Finanzverwaltung das Vorliegen weißer Einkünfte unter Aufbietung einer Vielzahl rechtlicher Argumente zu verhindern sucht, versteht sich von selbst.
2. Das Urteil betrifft das Streitjahr 2010. Dies muss hervorgehoben werden. Denn die weißen Einkünfte sind im Streitfall deshalb entstanden, weil das abkommensrechtliche Schachtelprivileg zum Tragen kam, das im Jahr 2010 noch geltende DBA-Luxemburg 1958 aber noch keine sog. Rückfallklausel enthielt. Seit dem Jahr 2014 gilt das neue DBA-Luxemburg. Es sieht nunmehr vor, dass nur diejenigen aus Luxemburg stammenden Einkünfte in Deutschland steuerfrei sind, die in Luxemburg tatsächlich besteuert werden. Damit ist die Einmalbesteuerung der Einkünfte sichergestellt.
3. Mangels Rückfallklausel ging die Argumentation des FA im Wesentlichen dahin, die Anwendbarkeit des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs zu bestreiten: Art. 20 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Satz 1 DBA-Luxemburg 1958 sah hierzu u.a. vor, dass Dividenden – für die Luxemburg das Besteuerungsrecht hat, was grundsätzlich gemäß Art. 13 Abs. 2 DBA-Luxemburg 1958 der Fall ist –, die einer Kapitalgesellschaft von einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in dem anderen Staat gezahlt werden, dann von der Besteuerung in Deutschland ausgenommen sind, wenn der Dividendenempfängerin mindestens 25 % der ...