Leitsatz
Auch bei einem Antrag auf befristetes Hinausschieben des Beginns der Außenprüfung, der für das Verschieben des Prüfungsbeginns ursächlich ist, entfällt die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 S. 1 2. Alternative AO nur, wenn die Finanzbehörde nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Eingang des Antrags mit der Prüfung beginnt (Heranziehung des in § 171 Abs. 8 S. 2 und Abs. 10 AO enthaltenen Rechtsgedankens).
Normenkette
§ 171 Abs. 4 S. 1, § 171 Abs. 8 S. 2, § 171 Abs. 10, § 181 Abs. 1 S. 1 AO
Sachverhalt
Das FA wollte bei der klagenden KG eine Außenprüfung für die Jahre 1993 und 1994 durchführen und legte den Prüfungsbeginn auf Dezember 1996 fest. Die KG beantragte eine Verlegung auf Mitte Januar 1997. Dem Antrag wurde unter Hinweis auf die mit Antragstellung im November eingetretene Ablaufhemmung stattgegeben. Im Januar 1997 teilte der Prüfer mit, dass er voraussichtlich im Februar mit der Prüfung beginnen werde. Dazu kam es aber nicht; vielmehr wurde der Prüfer später versetzt und der Fall auf den Prüfungsplan eines anderen Prüfers übertragen. Die Prüfung begann erst im März 2000, nachdem dies dem Büro des Steuerberaters im November 1999 angekündigt worden war.
Gegen die in Auswertung der Prüfung im Jahr 2001 erlassenen Gewinnfeststellungsbescheide erhob die KG nach erfolglosem Einspruch Klage mit der Begründung, die Feststellungsfrist sei abgelaufen. Das FG gab der Klage statt (Niedersächsisches FG, Urteil vom 17.07.2007, 15 K 443/02, Haufe-Index 1797007, EFG 2007, 1567).
Entscheidung
Auch der BFH war der Auffassung, dass Feststellungsverjährung eingetreten sei. Zwar habe das Hinausschieben des Prüfungsbeginns auf Antrag der KG zu einer Ablaufhemmung geführt. Diese sei jedoch dadurch entfallen, dass das FA nicht spätestens zwei Jahre nach dem Antrag mit der Prüfung begonnen habe.
Hinweis
1. Die Entscheidung bedeutet eine über den Gesetzeswortlaut hinausgehende Einschränkung der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 S. 1 AO.
a) Der Ablauf der Festsetzungs- bzw. Feststellungsfrist wird durch den Beginn einer Außenprüfung im Grundsatz zeitlich unbegrenzt bis zur Auswertung der Prüfungsfeststellungen durch Bekanntgabe von Steuerbescheiden gehemmt. Eine äußerste Grenze sieht das Gesetz aber dadurch vor, dass nach Ablauf des Jahrs der Schlussbesprechung bzw. der letzten Prüfungshandlung nicht mehr Zeit vergehen darf, als die im Einzelfall geltende Festsetzungsfrist beträgt, also im Regelfall vier Jahre.
b) Wesentlich engere Bedingungen gelten für das FA, wenn die Prüfung unmittelbar nach Beginn aus von der Behörde zu vertretenden Gründen unterbrochen wird. Dauert die Unterbrechung mehr als sechs Monate, entfällt die Ablaufhemmung rückwirkend. Dies soll den pro-forma-Beginn von Prüfungen zur Auslösung der Ablaufhemmung verhindern.
c) Eine Ablaufhemmung tritt auch ein, wenn eine geplante Prüfung auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben wird. Damit soll dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit genommen werden, die Behörde an der Unterbrechung der Verjährung durch Beginn mit einer Prüfung zu hindern. Für diese Ablaufhemmung gibt es keine gesetzliche Grenze.
2. Nach einem Verschiebungsantrag des Steuerpflichtigen könnte das FA bei wortlautgetreuer Anwendung des § 171 Abs. 4 S. 1 AOunbegrenzte Zeit bis zum Beginn der Prüfung verstreichen lassen. Das erscheint nicht sachgerecht, soweit die Ursache für weitere Verzögerungen in der Sphäre der Behörde liegt. Dass die Sphäre der Verzögerung ein wichtiger Gesichtspunkt ist, kann an der kurzen Frist für eine von der Behörde veranlasste Prüfungsunterbrechung abgelesen werden. Deshalb schränkt der BFH die Dauer der Hemmung aufgrund Verschiebungsantrags ein und billigt der Behörde vom Zeitpunkt der Antragstellung an nur eine Frist von zwei Jahren zu, um mit der Prüfung zu beginnen. Diese Frist bestimmt der BFH in Anlehnung an die Fristen des § 171 Abs. 8 S. 2 bzw. Abs. 10 S. 1 AO. In beiden Fällen wird der Behörde eine zweijährige Frist eingeräumt, um auf von ihr nicht selbst veranlasste Ereignisse zu reagieren (den Wegfall der Ungewissheit, die Grund für eine vorläufige Festsetzung war, bzw. das Ergehen eines Grundlagenbescheids).
3. Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung dieser Gesetzesauslegung folgen wird. Sie hat jedenfalls im hiesigen Fall den Gerichtsbescheid akzeptiert und keinen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 17.03.2010 – IV R 54/07