Leitsatz
Personen, die im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach dem Arbeitsförderungsgesetz in einem Betrieb tätig werden, sind Arbeitnehmer i.S.d. Investitionszulagenrechts und deshalb miteinzubeziehen, soweit es für die erhöhte Investitionszulage auf die Zahl der in einem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer ankommt.
Normenkette
§ 5 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 InvZulG 1996
Sachverhalt
In dem klägerischen Betrieb waren neben 240 "regulären" Arbeitnehmern auch 12 im Rahmen von ABM eingegliederte Arbeitnehmer beschäftigt. Das FA lehnte daher wegen Überschreitung des Schwellenwerts von 250 Arbeitnehmern die erhöhte Zulage für 1995 ab.
Dem folgte das FG (FG des Landes Brandenburg, Urteil vom 29.06.2006, 5 K 1296/05, Haufe-Index 1728490). Die Argumentation der Revision, da ABM vorrangig arbeitsmarkt- und sozialpolitische Ausrichtung hätten, dürften diese Kräfte ebenso wie Auszubildende nicht mitgezählt werden, ...
Entscheidung
... wies der BFH unter Hinweis auf den einkommensteuerlichen Arbeitnehmerbegriff und den eindeutigen Gesetzeswortlaut zurück.
Hinweis
Nach § 5 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 4 InvZulG 1996 setzt die – erhöhte – Förderung voraus, dass der Betrieb zu Beginn des Wirtschaftsjahrs, in dem die Investitionen vorgenommen werden, nicht mehr als 250 Arbeitnehmer in einem gegenwärtigen Dienstverhältnis beschäftigte, die Arbeitslohn, Kurzarbeitergeld, Schlechtwettergeld oder Winterausfallgeld bezogen. Entsprechende Schwellenwerte enthalten das InvZulG 1993 sowie die späteren InvZulG 2005, 2007 durch die Verweisung auf die Begriffsdefinition für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) in der Empfehlung der EU-Kommission.
Nach ständiger Rechtsprechung sind die im Investitionszulagenrecht verwendeten Begriffe nach einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen auszulegen, soweit sich nicht aus dem InvZulG, seinem Zweck und seiner Entstehungsgeschichte etwas anderes ergibt.
Das gilt auch für den Begriff des Arbeitnehmers. Demnach sind ABM-Kräfte Arbeitnehmer i.S.d. Zulagenrechts (ABM = Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen). Denn sie schulden dem sie beschäftigenden Unternehmen (Träger der Maßnahme) aufgrund eines mit diesem geschlossenen Arbeitsvertrags ihre Arbeitskraft, stehen unter seiner Leitung und beziehen von ihm Arbeitslohn.
Für die ABM, die dazu dienen, Arbeitsgelegenheiten für Arbeitslose zu schaffen, bestehen allerdings tatsächliche und arbeitsrechtliche Besonderheiten: Die ABM-Kräfte werden von der Arbeitsverwaltung zugewiesen, es gelten besondere Kündigungs- und Befristungsmöglichkeiten, die Lohnkosten werden bezuschusst, die Arbeiten müssen im öffentlichen Interesse liegen und die Arbeitnehmer müssen förderungsbedürftig sein. Alle diese Umstände stellen jedoch die Arbeitnehmereigenschaft nicht in Frage.
Erwägenswert erscheint lediglich, ob die gegenüber den "regulären" Arbeitnehmern eines Betriebs deutlich herabgesetzten Einsatzmöglichkeiten und die niedrigere Wertschöpfung es rechtfertigen können, ABM-Kräfte – trotz ihrer Arbeitnehmereigenschaft – bei der Prüfung des Schwellenwerts nicht mitzuzählen. Denn wegen ihrer geringeren Leistung bieten sie für die Frage der Förderwürdigkeit eines Betriebs eigentlich keinen signifikanten Anhaltspunkt und die Einbeziehung in den Schwellenwert mit der Folge des Verlusts der erhöhten Zulage läuft dem Zweck der ABM-Förderung zuwider. Da der Gesetzeswortlaut jedoch lediglich auf die Arbeitnehmereigenschaft abstellt, können auch diese Bedenken nicht durchgreifen.
Die Verwaltung hat schon immer die Auszubildenden nicht in den Schwellenwert einbezogen. Dies gilt insbesondere seit der Herstellung der EU-Konformität durch die ausdrückliche Bezugnahme im InvZulG 2005/2007 auf die Empfehlung der EU-Kommission betreffend die Definition der KMU, wonach Auszubildende nicht als Mitarbeiter zu zählen sind.
Der BFH hat die Frage, ob Auszubildende einzubeziehen sind, jedoch ausdrücklich offen gelassen. Wegen der Anknüpfung des Gesetzes an den Arbeitnehmerbegriff sind jedenfalls ABM-Kräfte beim Schwellenwert zu berücksichtigen. Denn das InvZulG stellt lediglich auf die Zahl der Arbeitnehmer ab. Damit lässt sich eine Differenzierung nach der Leistungsfähigkeit und Einsatzbreite der Arbeitnehmer nicht vereinbaren.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 17.04.2008, III R 9/07