Leitsatz
Abschläge pharmazeutischer Unternehmer nach § 1 AMRabG mindern die Bemessungsgrundlage für die gelieferten Arzneimittel (Folgeentscheidung zum EuGH-Urteil Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG vom 20. Dezember 2017, C-462/16, EU:C:2017:1006).
Normenkette
§ 17 Abs. 1 Satz 1 UStG, Art. 90 Abs. 1 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL), § 1 AMRabG
Sachverhalt
Die Klägerin macht auch für die nach § 1 AMRabG gewährten Rabatte eine Entgeltminderung und damit eine Minderung ihrer Steuerschuld geltend. Das FA verweigerte sich dem. Die Entgeltminderung aufgrund eines Rabatts setze eine Lieferkette voraus, die zwischen dem Rabattgewährenden und dem Rabattempfänger bestehen müsse. Diese liege nur im Fall der Rabattgewährung an die gesetzlichen Krankenkassen vor, nicht aber auch bei der Rabattgewährung an die Unternehmen der privaten Krankenversicherung und an Beihilfeträger, da die Lieferkette hier bei der privat krankenversicherten Person ende. Das FG gab der Klage statt (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24.9.2015, 6 K 1251/14, Haufe-Index 8633253, EFG 2015, 2243).
Im Revisionsverfahren richtete der BFH ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH, das dieser durch sein Urteil vom 20.12.2017, C-462/16, Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG beantwortete.
Entscheidung
Nach Vorlage an den EuGH bestätigte der BFH entsprechend dem Urteil des EuGH die Entscheidung der Vorinstanz. Der BFH beschränkte sich bei seiner Entscheidung auf eine Wiedergabe des EuGH-Urteils, durch das die Entscheidung des Streitfalls vorgegeben war.
Hinweis
1. Pharmazeutische Unternehmen liefern die von ihnen hergestellten Arzneimittel über Großhändler steuerpflichtig an Apotheken. Diese geben die Arzneimittel an gesetzlich Krankenversicherte ab. Die Arzneimittel werden an die Krankenkassen geliefert und von diesen ihren Versicherten zur Verfügung gestellt. Die Apotheken gewähren den Krankenkassen einen Abschlag auf den Arzneimittelpreis. Pharmazeutische Unternehmen müssen den Apotheken diesen Abschlag nach sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften erstatten.
Die Finanzverwaltung behandelt den Abschlag umsatzsteuerrechtlich als Entgeltminderung.
2. Arzneimittel für privat Krankenversicherte geben die Apotheken aufgrund von Einzelverträgen mit diesen Personen ab. Das Unternehmen der privaten Krankenversicherung ist dabei nicht selbst Abnehmer der Arzneimittel, sondern erstattet die ihren Versicherten entstandenen Kosten. Hier müssen die pharmazeutischen Unternehmen dem Unternehmen der privaten Krankenversicherung einen Abschlag auf den Arzneimittelpreis nach § 1 AMRabG gewähren.
Danach haben die pharmazeutischen Unternehmer den Unternehmen der privaten Krankenversicherung und den Trägern der Kosten in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen nach beamtenrechtlichen Vorschriften (Beihilfeträgern) für verschreibungspflichtige Arzneimittel, deren Kosten diese ganz oder teilweise erstattet haben, nach dem Anteil der Kostentragung Abschläge entsprechend den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften zu gewähren.
Die Finanzverwaltung verneint hier die Entgeltminderung (BMF-Schreiben vom 14.11.2012, BStBl I 2012, 1170, unter I.2.).
3. Fraglich war, ob diese Ungleichbehandlung, die auf den unterschiedlichen Lieferketten beruht, sachlich gerechtfertigt ist. Der EuGH hat hierzu in seinem Urteil vom 20.12.2017, C 462/16, Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG, EU:C:2017:1006, entschieden, dass der Abschlag, den ein pharmazeutisches Unternehmen aufgrund einer nationalen Gesetzesregelung einem Unternehmen der privaten Krankenversicherung gewährt, auch hier zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage i.S.v. Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL für dieses pharmazeutische Unternehmen führt. Voraussetzung ist, dass es Arzneimittel über Großhändler an Apotheken liefert, die die Arzneimittel an privat Krankenversicherte liefern, denen von der privaten Krankenversicherung die Kosten für den Bezug der Arzneimittel erstattet werden.
Danach sind beide Fallgruppen trotz der unterschiedlichen Lieferketten gleich zu behandeln.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 8.2.2018 – V R 42/15