Leitsatz
Unterstellt, ein Abzug von Verlusten einer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässigen Tochterkapitalgesellschaft bei ihrer inländischen Mutterkapitalgesellschaft wäre aus unionsrechtlichen Gründen geboten, käme ein solcher Verlustabzug nicht im Veranlagungszeitraum des Entstehens der Verluste, sondern nur in jenem Veranlagungszeitraum in Betracht, in welchem sie tatsächlich "final" geworden sind (Anschluss an Senatsurteil vom 09.06.2010, I R 107/09, BFH/NV 2010, 1744, BFH/PR 2010, 405).
Normenkette
§§ 14ff. KStG 2002, Art. 43, 48 EG
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine geschäftsleitende Holding, die Tochterkapitalgesellschaften im In- und Ausland unterhält. Sie leistete in den Streitjahren 2002 bis 2005 Zahlungen an ihre italienischen Tochtergesellschaften i.H.v. mehr als 26 Mio. EUR, die sie zunächst teilweise als Anschaffungskosten der Beteiligung und im Übrigen als Darlehen aktivierte. Soweit zunächst Gesellschafterdarlehen gewährt wurden, wandelte die Klägerin diese in den Jahren 2003 bis 2006 im Wege des Darlehensverzichts in Eigenkapital der Tochtergesellschaften um.
Im Streitjahr 2005 nahm die Klägerin eine Teilwertabschreibung auf die Beteiligung an einer der italienischen Tochterkapitalgesellschaft vor, die gem. § 8b Abs. 3 KStG 2002 ihr Einkommen nicht minderte. Weitere Teilwertabschreibungen auf die Beteiligungen an den Tochtergesellschaften nahm die Klägerin im Zeitraum von 2006 bis 2009 vor.
Die Klägerin beantragte ihr Einkommen in den Streitjahren um die in diesen Jahren erlittenen Verluste der italienischen Tochtergesellschaft i.H.v. insgesamt 23,2 Mio. EUR zu kürzen.
Das FA lehnte das ab. Auch die anschließende Klage blieb erfolglos (Niedersächsisches FG, Urteil vom 11.02.2010, 6 K 406/08, Haufe-Index 2316373, EFG 2010, 815): Die Klägerin hätte mit den Tochtergesellschaften zumindest einen Verlustübernahmevertrag eigener Art schließen müssen. Daran fehle es, sodass es auf eine mögliche Europarechtswidrigkeit des Verlangens nach einem Ergebnisabführungsvertrag nicht ankomme.
Entscheidung
Der BFH bestätigte das FG im Ergebnis. Er machte es allerdings kurz und entschied im Beschlussverfahren nach § 126a FGO: Die Klägerin habe schlicht und einfach die "falschen" VZ "erwischt". "Final" könnten Verluste im Unionsrechtssinn nämlich nur sein, wenn ein Verlustabzug im Ausland wirklich endgültig ausgeschlossen sei, zuvor jedoch nicht.
Hinweis
1. Durch Urteil vom 09.06.2010, I R 107/09 (BFH/NV 2010, 1744, BFH/PR 2010, 405) musste der BFH über eine viel diskutierte und schon lange währende Kontroverse entscheiden, nämlich darüber, ob und unter welchen Umständen der Ansässigkeitsstaat eines Unternehmens vor dem Hintergrund der einschlägigen unionsrechtlichen Anforderungen Verluste in Abzug gebracht werden müssen, die eine ausländische Betriebsstätte des Unternehmens erwirtschaftet.
Ein solcher Verlustabzug "erledigt" sich gemeinhin immer dann, wenn sich Ansässigkeits- und Betriebsstättenstaat abkommensrechtlich auf die "symmetrische" Freistellung von positiven wie negativen Betriebsstätteneinkünften verständigt haben. Das wird auch vom EuGH aus Sicht des Unionsrechts akzeptiert. Letzteres – das Unionsrecht – gebietet jedoch Ausnahmen, und darüber hat der BFH in jenem Urteil entschieden:
Ein Verlustabzug kommt ausnahmsweise in Betracht, sofern und soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass die Verluste im Quellenstaat steuerlich unter keinen Umständen anderweitig verwertbar sind und es sich mithin um sog. finale Verluste handelt. Solche finalen Verluste werden angenommen, wenn der Betriebsstättenverlust im Ausland aus tatsächlichen Gründen nicht mehr berücksichtigt werden kann (z.B. bei Umwandlung der Auslandsbetriebsstätte in eine Kapitalgesellschaft, ihrer entgeltlichen oder unentgeltlichen Übertragung oder ihrer "endgültigen" Aufgabe).
Der so verstandene Abzug der Betriebsstättenverluste ist allerdings nicht im VZ ihres Entstehens vorzunehmen, sondern in jenem VZ, in welchem sie "final" geworden sind.
2. Nun wird gleichermaßen (und heftig) kontrovers diskutiert, ob auch entsprechende "finale" Verluste (selbstständiger) ausländischer Tochtergesellschaften vom Ansässigkeitsstaat der Muttergesellschaft berücksichtigt werden müssen.
Begründen ließe sich das de lege lata nur, indem "steuersubjektübersteigend" eine grenzüberschreitende Organschaft angenommen würde – was regelmäßig scheitert: Zum Ersten kann das daran liegen, dass die (mögliche) Organgesellschaft nicht über Sitz und Geschäftsleitung im Ausland verfügt, das aber wird von § 14 Abs. 1 S. 1 KStG ausdrücklich verlangt. Zum Zweiten ist es erforderlich, dass der Organträger wenigstens seine Geschäftsleitung im Inland hat, § 14 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 KStG. Und zum Dritten bedarf es des Abschlusses eines Gewinnabführungsvertrags einschließlich Verlustübernahme.
Sämtliche Erfordernisse sind zwar umstritten und verschiedenen Angriffen ausgesetzt:
- Das Erfordernis einer "doppelten Inlandsanbindung" der Organgesellschaft hat (am 30.09.2010, Press...