Ein Rechtsprechungs-Update

[Ohne Titel]

Dipl.-Finw. Karl-Heinz Günther, StB[*]

Der steuermindernde Abzug von Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen (§§ 3333b EStG) führt immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten, die vor den Finanzgerichten und dann letztlich auch vor dem BFH ausgetragen werden. Hintergrund hierfür sind zum einen sich immer wieder neu ergebende Lebenssachverhalte, die Kosten in der Privatsphäre der Steuerpflichtigen verursachen, deren Abzugsfähigkeit nach § 33 EStG dann in Frage steht. Zum anderen führt die zunehmende Überalterung der Bevölkerung insbesondere im Bereich der Krankheitskosten zu Abgrenzungsfragen und damit einhergehenden Rechtsstreitigkeiten.

[*] Der Autor war stellvertretender Vorsteher bei einem FA und ist nun als Steuerberater tätig.

I. Problemstellung

Aufwendungen, die nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar sind, fallen in den Bereich der privaten Lebensführung, die grundsätzlich dem Abzugsverbot des § 12 EStG unterliegen, sofern es sich nicht um Sonderausgaben (§§ 10 ff. EStG) oder um außergewöhnliche Belastungen (agB; §§ 3333b EStG) handelt.

Bei den agB ergeben sich insbesondere im Hinblick auf die Kriterien

  • Zwangsläufigkeit und
  • Außergewöhnlichkeit

immer wieder Rechtsstreitigkeiten, die zu Finanzgerichtsverfahren führen – und dann letztlich auch den BFH beschäftigen. Nachfolgend geben wir einen Überblick über die Entwicklung der Rechtsprechung zu §§ 3333b EStG der letzten Jahre.

II. AgB nach § 33 EStG

Da § 33 EStG (mit Ausnahme der in § 33 Abs. 2a EStG ab VZ 2021 geregelten behinderungsbedingten Fahrtkostenpauschale) keine kostenspezifischen Abzugsregularien enthält, sind zu einer Vielzahl von Fallgestaltungen Gerichtsentscheidungen ergangen, die nachfolgend themenbezogen zusammengefasst dargestellt werden.

1. Vermögensschäden

Aufwendungen zur Beseitigung von Vermögensschäden sind, sofern sie nicht durch unabwendbare Ereignisse wie Krieg, Naturkatastrophen etc. verursacht wurden, in der Regel nicht als agB abziehbar.

Aufwendungen im Zusammenhang mit Wildtierschäden: So hat der BFH z.B. entschieden, dass Aufwendungen im Zusammenhang mit einem "Biberschaden" keine agB sind, da Wildtierschäden als solche keineswegs unüblich sind und nicht mit ungewöhnlichen Schadensereignissen i.S.d. § 33 EStG verglichen werden können[1]. Entsprechend entschied das FG Hamburg, dass Aufwendungen, mit denen dem möglichen Eintritt von Schäden vorgebeugt werden soll – wie etwa Kosten für Maßnahmen, mit denen das Eindringen von Mardern in Wohngebäude und ihre Einnistung verhindert werden soll – keine agB darstellen[2].

Abriss eines einsturzgefährdeten Gebäudes: Auch Aufwendungen für den Abriss eines einsturzgefährdeten Gebäudes sind mangels Zwangsläufigkeit jedenfalls dann nicht als agB zu berücksichtigen, wenn die Instandhaltungspflicht zuvor verletzt wurde. Eine mögliche Abrede mit einem zwischenzeitlich verstorbenen Miteigentümer, dass allein dieser sich um das Haus zu kümmern habe, steht dem nicht entgegen[3].

Aufwendungen für die Sanierung einer Grabstätte sind ebenfalls keine agB. Dies gilt auch dann, wenn es sich um eine über 100 Jahre alte Familiengrabstätte handelt und Standsicherheitsmängel auf Anordnung der Friedhofsverwaltung beseitigt werden, denn es handelt sich bei einem Familiengrab nicht um einen existenznotwendigen Vermögensgegenstand. Der Sanierung der Grabstätte lag eine maßgeblich vom Willen und der religiösen Überzeugung der Steuerpflichtigen, der Erwartungshaltung ihrer Familie und der Familientradition beeinflusste Situation zugrunde, die eine nach § 33 EStG erforderliche Zwangslage nicht begründen kann[4].

Tätigkeitsvergütung des Insolvenzverwalters: Auch die zugunsten des Insolvenzverwalters festgesetzte Tätigkeitsvergütung ist beim Insolvenzschuldner mangels Außergewöhnlichkeit nicht als agB gem. § 33 Abs. 1 EStG abziehbar. Denn die Überschuldung von Privatpersonen ist kein gesellschaftliches Randphänomen; vielmehr sind Insolvenzverfahren von Verbrauchern und bestimmten natürlichen – unternehmerisch tätigen – Personen (Privatpersonen) keineswegs unüblich[5].

Beraterhinweis Soweit der VI. Senat das BFH mit Urteil v. 4.8.2016[6] entschieden hat, die Insolvenztreuhändervergütung könne unter bestimmten Voraussetzungen – insbesondere wenn der Steuerpflichtige die Ursache seiner Überschuldung und damit die Notwendigkeit eines Verbraucherinsolvenzverfahrens nicht selbst gesetzt habe – als agB abziehbar sein, hält er hieran nicht länger fest.

2. Krankheit/Behinderung

a) Allgemeine Grundsätze

Krankheitskosten erwachsen dem Steuerpflichtigen ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig. Allerdings werden nur ...

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