Leitsatz
1. Wenn Steuerpflichtige eines Mitgliedstaats ihre Kinder zur Schulausbildung in eine Schule schicken, die sich in einem anderen Mitgliedstaat befindet und im Wesentlichen aus privaten Mitteln finanziert wird, ist Art. 49 EG dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die vorsieht, dass Schulgeldzahlungen an bestimmte Privatschulen im Inland als Sonderausgaben Einkommensteuer mindernd berücksichtigt werden können, diese Möglichkeit aber in Bezug auf Schulgeldzahlungen an Privatschulen in anderen Mitgliedstaaten generell ausschließt.
2. Wenn Steuerpflichtige eines Mitgliedstaats ihre Kinder zur Schulausbildung in eine Schule in einem anderen Mitgliedstaat schicken, deren Leistungen nicht unter Art. 49 EG fallen, steht Art. 18 EG einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, die vorsieht, dass Schulgeldzahlungen an bestimmte Schulen im Inland als Sonderausgaben Einkommensteuer mindernd berücksichtigt werden können, diese Möglichkeit aber in Bezug auf Schulgeldzahlungen an Schulen in anderen Mitgliedstaaten generell ausschließt.
Normenkette
§ 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG, Art. 18 EG
Sachverhalt
Die Kläger des Ausgangsverfahrens wohnten in Deutschland und wurden dort zusammen zur ESt veranlagt. Nach ihren Angaben benötigen ihre drei Kinder eine besondere Schulausbildung. Deshalb hätten sie zwei von ihnen, geboren 1981 und 1986, in einer auf die Förderung hochbegabter Kinder spezialisierten Schule in Schottland angemeldet, der sie in den Jahren 1998 und 1999 Schulgeld gezahlt hätten.
Im Zug ihrer Steuererklärungen machten die Kläger des Ausgangsverfahrens außergewöhnliche Belastungen gem. § 33 Abs. 1 EStG in Höhe der getätigten Aufwendungen für den Privatschulbesuch ihrer Kinder sowie einen Krankenhausaufenthalt eines ihrer Kinder geltend. Es belief sich pro Jahr auf mindestens 10.000 DM. Hilfsweise beantragen sie, den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG zu gewähren.
Das FA folgte dem nicht.
Das FG Köln (Beschluss vom 27.1.2005, DStRE 2005, 454) wies den Antrag auf Berücksichtigung der Beträge zurück, die die Kläger des Ausgangsverfahrens als außergewöhnliche Belastungen gem. § 33 Abs. 1 EStG geltend gemacht hatten. Den Sonderausgabenabzug versagte es, weil § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG nur den Besuch bestimmter inländischer Schulen erfasse. Schulgeldzahlungen an Schulen in einem anderen Mitgliedstaat könnten danach nicht als Sonderausgaben Einkommensteuer mindernd berücksichtigt werden. Das FG hatte jedoch Zweifel, ob die Beschränkung der Vergünstigung nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG auf Schulgeldzahlungen an Inlandsschulen europarechtskonform sei. Es hat deswegen den EuGH in einem Vorabentscheidungsersuchen angerufen.
Entscheidung
Der EuGH hat so entschieden, wie aus den Leitsätzen ersichtlich ist.
Hinweis
1. Gem. § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG können 30 % desjenigen Entgelts als Sonderausgaben abgezogen werden, das der Steuerpflichtige für ein Kind, für das er einen Kinderfreibetrag oder Kindergeld erhält, für den Besuch einer nach Art. 7 Abs. 4 GG staatlich genehmigten oder nach Landesrecht erlaubten Ersatzschule sowie einer nach Landesrecht anerkannten allgemeinbildenden Ergänzungsschule entrichtet; ausgenommen hiervon ist das Entgelt für Beherbergung, Betreuung und Verpflegung.
Der EuGH hat nun unmissverständlich klargestellt, dass sich die Beschränkung auf Inlandsschulen nicht mit der in Art. 18 EG verankerten Unionsbürgerschaft verträgt.
2. Ist damit alles geklärt? Das erscheint derzeit alles andere als ausgemacht.
Denn bei dem in Rede stehenden Sonderausgabenabzug für Schulgeld handelt es sich um eine typische Sozialzwecknorm. Es mag sein, dass Art. 7 Abs. 4 GG den Gesetzgeber dazu zwingt, einen solchen Sonderausgabenabzug zuzulassen. Sicher ist das indes nicht. Und so gesehen sollte ein nationales Gericht (wie hier das vorliegende Instanzgericht, das FG Köln) in seinem nunmehr anstehenden Schlussurteil eigentlich nicht umhinkommen, in einem nächsten Schritt das BVerfG anzurufen. Es kann jedenfalls nicht aus eigener Kraft den Anwendungsbereich auf Auslandsschulen ausdehnen, widerspricht das doch dem erklärten Willen des Gesetzgebers.
Und diesem ist es ggf. unbenommen, den Sonderabzug allen – den Klägern, ebenso anderen Steuerpflichtigen, die ihre Kinder auf deutsche Privatschulen schicken – zu versagen. Beispiele für solche "Verböserungen" zulasten aller finden sich in jüngerer Zeit ja zuhauf. Man denke nur an den gestrichenen Sonderausgabenabzug von Steuerberaterkosten.
Der Erfolg der Kläger vor dem EuGH könnte sich also als ein Pyrrhussieg herausstellen!
3. Allerdings – das sei nicht verschwiegen – fordert der EuGH in ständiger Rechtsprechung die Gleichbehandlung der grenzüberschreitenden und der reinen Inlandsfälle und damit die Ausdehnung auch von Steuervergünstigungen. Es bleibt abzuwarten, ob sich das mit nationalem Verfassungsrecht und der darin vorgegebenen Kompetenzordnung so ohne Weiteres verträgt.
4. Unabhängig davon stellt sich einmal mehr die Frage danach, ob sich der erstrebte ...