Leitsatz
Es ist ernstlich zweifelhaft,
Normenkette
§ 69 FGO , § 4 Nr. 14 UStG , Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-RL
Sachverhalt
Die Antragstellerin war als – so FG – selbstständige "staatlich anerkannte Altenpflegerin" in den Streitjahren 1994 bis 1999 in einer Pflegeeinrichtung gem. § 72 SGB XI tätig. Das FA veranlagte die Antragstellerin zur Umsatzsteuer.
Das FG (EFG 2002, 1193) hatte die Vollziehung der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide mit Rücksicht auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 29.10.1999, 2 BvR 1264/90 (BVerfGE 101, 132, BStBl II 2000, 155) ausgesetzt und die Beschwerde zugelassen. Das FA meinte, das FG weiche – soweit es das Fehlen berufsrechtlicher Regelungen für unbeachtlich halte – von der Rechtsprechung des BFH ab und widerspreche dem Schreiben des BMF vom 28.2.2000 (BStBl I 2000, 433).
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Aussetzungsentscheidung des FG. Halten Sie Fälle zu § 4 Nr. 14 UStG mit arztähnlichen oder heilberuflichen Leistungen offen.
Der BFH hielt aber auch schon die Unternehmereigenschaft der Antragstellerin für zweifelhaft. Beachten Sie: Die Anstellung als "selbstständiger" oder "freier" Mitarbeiter indiziert nicht schon umsatzsteuerrechtlich die Unternehmereigenschaft. FA und FG und auch die Antragstellerin hatten dies – obwohl nach dem Sachverhalt durchaus zweifelhaft – nicht thematisiert.
Maßgebend für die Beurteilung ist das Gesamtbild der Verhältnisse; hierbei sind die für und gegen die Unternehmereigenschaft sprechenden Merkmale, die im Einzelfall unterschiedlich gewichtet werden können, gegeneinander abzuwägen (vgl. BFH, Urteil vom 30.5.1996, V R 2/95, BStBl II 1996, 493; BFH, Beschluss vom 15.3. 2002, V B 137/01, BFH/PR 2002, 379). Prüfen Sie deshalb in jedem Fall auch, ob die Beurteilung als Unternehmer zutreffend ist.
Hinweis
Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG a.F. sind "die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Krankengymnast, Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit im Sinn des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes oder aus der Tätigkeit als klinischer Chemiker" steuerfrei.
Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-RL formuliert das anders: Danach sind unter weiteren Voraussetzungen steuerfrei "... c) die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen oder arztähnlichen Berufe erbracht werden".
Gemeinsam setzen beide Vorschriften voraus:
- Es muss sich um ärztliche oder arztähnliche bzw. heilberufliche Leistungen handeln.
- Diese müssen von Personen erbracht werden, die entsprechende berufliche Befähigungsnachweise erbringen.
Zweifelhaft ist, ob und inwieweit ein Altenpfleger arztähnliche oder heilberufliche Leistungen erbringt, denn nach dem Urteil des EuGH vom 10.9.2002, Rs. C-141/00 – Ambulanter Pflegedienst Kügler GmbH – (BFH/PR 2003, 29) erfasst die Steuerbefreiung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-RL auch Leistungen der Behandlungspflege durch qualifiziertes Krankenpflegepersonal, nicht aber Leistungen der Grundpflege.
Zweifelhaft ist weiter, welche Anforderungen an den für die Steuerbefreiung notwendigen Befähigungsnachweis zu stellen sind. Das BVerfG hatte zu § 4 Nr. 14 UStG entschieden, Art. 3 GG verbiete eine allein nach der Existenz berufsrechtlicher Regelungen unterscheidende Umsatzsteuerbefreiung. Erkennbarer Normzweck des § 4 Nr. 14 UStG sei allein die Entlastung der Sozialversicherungsträger von der Umsatzsteuer (BStBl II 2000, 155 und Beschluss vom 10.11.1999, 2 BvR 1820/92, BStBl II 2000, 158).
Darauf haben Gesetzgebung, Rechtsprechung und Finanzverwaltung in unterschiedlicher Weise reagiert. Für Sprachheilpädagogen hat der Gesetzgeber in § 27 Abs. 1a UStG eine Regelung erlassen. Der BFH hat in dem Fall, der Gegenstand des Beschlusses des BVerfG in BVerfGE 101, 132 gewesen war – entsprechend der Vorgabe des BVerfG –, entschieden, die Leistungen eines Heileurythmisten durch heilberufliche Tätigkeit seien jedenfalls dann nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei, wenn sie ihrer Art nach von den Sozialversicherungsträgern für den Patienten bezahlt würden (BFH, Urteil vom 13.4.2000, V R 78/99, BFHE 191, 441). Unklar ist jedoch noch, welche Bedeutung nach den Entscheidungen des BVerfG dem Tatbestandsmerkmal "im Sinn des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes" in § 4 Nr. 14 UStG noch zukommt.
Auf diese Frage geht auch das BMF in seinem Schreiben in BStBl I 2000, 433 nicht ein. Es heißt dort, ausreichendes Indiz für das Vorliegen einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit (i.S.d. § 4 Nr. 14 UStG) sei die Zulassung des jeweiligen Unternehmers bzw. die regelmäßige Zulassung seiner Ber...