Dr. Björn-Axel Dißars, Dr. Ulf-Christian Dißars
Leitsatz
2 Vorläufigkeitsvermerke in einem Bescheid sind getrennt hinsichtlich ihrer Aufhebung zu prüfen.
Sachverhalt
Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer 2001 bis 2003 veranlagt wurden. Nachdem die ausländischen Kapitalerträge durch die Kläger zunächst geschätzt worden waren, änderte das Finanzamt im März 2010 die Steuerfestsetzungen dieser Jahre. Im Änderungsbescheid führte das Finanzamt aus, dass der Bescheid nach § 165 Abs. 1 Satz 2 AO vorläufig sei, soweit dies aus dem Erläuterungsteil ersichtlich sei. Dort war der Vorläufigkeitskatalog dargestellt. Zudem führte das Finanzamt unter den Erläuterungen weiter aus, dass die Festsetzung vorläufig hinsichtlich der ausländischen Kapitalerträge sei, soweit keine endgültigen Werte vorliegen. Im August 2010 erließ das Finanzamt geänderte Bescheide wegen geänderter Beteiligungseinkünfte. In diesem geänderten Bescheid war nur die Vorläufigkeitserklärung unter Verweis auf den Erläuterungsteil aufgenommen, der Vorläufigkeitsvermerk wegen der Kapitaleinkünfte fehlte, es war aber auch kein Hinweis auf die Aufhebung vorhanden. In 2012 standen die endgültigen Kapitaleinkünfte fest, und die Kläger beantragten die Änderung zu ihren Gunsten. Dies lehnte das Finanzamt ab, da die Bescheide in diesem Punkt nicht mehr vorläufig seien. Es verwies auf die Rechtsprechung des BFH, dass der Vorläufigkeitsvermerk nur den Umfang habe, der aus dem letzten gültigen Steuerbescheid ersichtlich sei. Demgegenüber vertreten die Kläger die Ansicht, dass allein aus der fehlenden Wiederholung des Vermerks nicht auf dessen Wegfall geschlossen werden könne.
Entscheidung
Das FG gab der Klage statt, da es zu der Ansicht kam, dass die Finanzverwaltung aufgrund § 165 Abs. 2 Satz 2 AO zur Änderung der Steuerfestsetzung verpflichtet sei, da die Ungewissheit hinsichtlich der Höhe der Kapitaleinkünfte weggefallen sei. Entgegen der Ansicht des Finanzamts habe der Vorläufigkeitsvermerk hier auch noch Bestand. Eine ausdrückliche Aufhebung sei nicht erfolgt. Werde in einem nicht auf § 165 AO gestützten Änderungsbescheid dieser nicht wiederholt, bleibe der Vorläufigkeitsvermerk bestehen. Wird hingegen der Bescheid aufgrund des Vorläufigkeitsvermerks geändert, trete dieser an die Stelle des bisherigen Vorläufigkeitsvermerks. Unter Berücksichtigung dieser auf der Rechtsprechung des BFH beruhenden Rechtslage komme es hier maßgeblich darauf an, ob im Streitfall 1 oder 2 Vorläufigkeitsvermerke gegeben sind. Hierbei sei von 2 getrennten Vorläufigkeitsvermerken auszugehen, so dass der Vermerk nicht wegefallen sei.
Hinweis
Das Urteil stellt ausführlich die Rechtsfragen, die sich aus dem Verhältnis der verschiedenen Fälle des § 165 Abs. 1 AO ergeben, dar. Die Bestimmung umfasst nämlich 2 Gruppen von Fällen, in denen eine vorläufige Steuerfestsetzung zulässig ist. Nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO besteht die erste Gruppe aus den Fällen, in denen das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Steuer ungewiss ist. Die zweite Gruppe umfasst nach § 165 Abs. 1 Satz 2 einzelne Fallgruppen, in denen ungewiss ist, welches Recht auf den jeweiligen Sachverhalt angewandt wird (im Einzelnen Frotscher, in Schwarz, AO, § 165 AO Tz. 13ff.). Da beide Gruppen unterschiedliche Fälle behandeln, erscheint es nur schlüssig, auch von 2 verschiedenen Vorläufigkeitsvermerken auszugehen. Da 2 Vorläufigkeitsvermerke vorliegen, erscheint es dann auch zutreffend, beide Vermerke in ihrem rechtlichen Schicksal klar voneinander zu trennen. Unter der Heranziehung der Rechtsprechung des BFH (s. hierzu Frotscher, in Schwarz, AO, § 165 AO Tz. 86 m.w.N.) ist es dann zutreffend, dass der Vermerk, der die Ungewissheit hinsichtlich der Höhe der Kapitaleinkünfte betraf, nicht weggefallen ist. Das Urteil ist damit als zutreffend anzusehen.
Die Revision gegen das Urteil wurde zugelassen. Das Aktenzeichen des BFH ist VIII R 21/13.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil vom 27.02.2013, 2 K 266/12