Leitsatz
1. Die Beschränkung der energiesteuerrechtlichen Förderung von Biokraftstoffen auf reine Biokraftstoffe und die ab 1.1.2007 vorzunehmende Besteuerung mit Dieselkraftstoff vermischter Pflanzenöle durch die Änderung des § 50 Abs. 1 EnergieStG verstößt nicht gegen die unionsrechtlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes.
2. Ein umsichtiger und besonnener Wirtschaftsteilnehmer hätte insbesondere aufgrund der aus den gesetzlichen und unionsrechtlichen Bestimmungen ersichtlichen beihilferechtlichen Problemstellungen und aufgrund der Ankündigung der Ersetzung der Steuerbefreiung durch eine Beimischungspflicht im Koalitionsvertrag vom 11.11.2005 auch mit einer kurzfristigen Änderung der Rechtslage rechnen müssen.
Normenkette
§ 2a Abs. 1 und 3 MinöStG 1993, § 50 Abs. 1 EnergieStG, Art. 16 Abs. 3 RL 2003/96/EG
Sachverhalt
Ein Unternehmen hat von 2005 bis etwa Mitte Juli 2007 einen Kraftstoff vertrieben, der im Wesentlichen durch Mischung von nativem Pflanzenöl und fossilem Dieselkraftstoff hergestellt wurde. Der Anteil des nativen Pflanzenöls lag im Sommer bei 60 %, im Winter bei 50 %. Mit dem Ziel, die steuerliche Förderung von Biokraftstoffen auf reine Biokraftstoffe zu beschränken, hat der Gesetzgeber mit Wirkung zum 1.1.2007 § 50 Abs. 1 EnergieStG geändert und gewährt seitdem eine steuerliche Entlastung nur noch für unvermischte Biokraftstoffe.
Folglich unterwarf die Klägerin in ihrer Steueranmeldung für den Monat Mai 2007 den in der Kraftstoffmischung enthaltenen Anteil an nativem Pflanzenöl der Energiesteuer, legte dagegen jedoch Rechtsbehelfe ein. Das FG hat den EuGH befragt und von ihm folgende Antwort erhalten (Urteil vom 10.9.2009, C-201/08, Plantanol, BFH/NV 2009, 1940): Art. 3 RL 2003/30/EG stehe einer nationalen Regelung nicht entgegen, mit der eine Steuerbefreiung für Biokraftstoffe für ein Erzeugnis ausgeschlossen wird, das aus einer Mischung aus Pflanzenöl und fossilem Dieselkraftstoff besteht.
Die allgemeinen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verwehrten es einem Mitgliedstaat grundsätzlich nicht, eine Steuerbefreiung vor dem in der nationalen Regelung ursprünglich vorgesehenen Enddatum aufzuheben. Jedenfalls setze eine solche Aufhebung nicht das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände voraus. Es sei jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller für den Rechtsstreit relevanten Umstände im Rahmen einer auf den konkreten Fall bezogenen Gesamtwürdigung zu prüfen, ob diese Grundsätze in der Rechtssache des Ausgangsverfahrens beachtet worden seien.
Diese Grundsätze sah das FG (Hessisches FG, Urteil vom 29.4.2010, 7 K 2390/09, Haufe-Index 2379498) vom deutschen Gesetzgeber missachtet und hat der Klage deshalb entsprochen.
Entscheidung
Der BFH hat die Vorentscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Hinweis
1. In Bezug auf das Handeln von Gemeinschaftsorganen hat der EuGH entschieden, dass sich niemand auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen kann, dem die Verwaltung keine konkrete Zusicherung gegeben hat (EuGH, Urteil vom 22.6.2006, C‐182/03, C‐217/03, Slg. 2006, I‐5479, m.w.N., Haufe-Index 1796782). Ebenso scheidet eine Berufung auf diesen Grundsatz aus, wenn ein umsichtiger und besonnener Wirtschaftsteilnehmer in der Lage gewesen wäre, den Erlass einer seine Interessen berührenden Gemeinschaftsmaßnahme vorherzusehen (EuGH, Urteil vom 11.3.1987, C-265/85, Slg. 1987, 1155). Entsprechendes gilt für Rechtsakte des nationalen Gesetzgebers zur Umsetzung einer Unionsrichtlinie.
2. Hinsichtlich der Förderung von Biokraftstoff haben von Anfang an unionsrechtlich ein Verbot der Überkompensation, ein beihilferechtliches Problem und eine gesetzlich angekündigte Überprüfungsabsicht hinsichtlich der Steuerbegünstigung bestanden. Ein umsichtiger und besonnener Wirtschaftsbeteiligter hätte daher von Beginn der steuerlichen Förderung an mit kurzfristigen Veränderungen der steuerlichen Rahmenbedingungen für Biokraftstoffe rechnen müssen. Auch wenn das Unternehmen infolgedessen keine zuverlässige Planungs- und Dispositionsgrundlage gehabt haben mag, rechtfertigt dies nicht, ihm Schutz gegen die Realisierung solcher Unsicherheiten zu gewähren. Es hätte diese in seine Kalkulation einbeziehen oder von der Betätigung in diesem Wirtschaftssektor ganz absehen müssen, wenn ihm dies nicht möglich schien.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 19.6.2012 – VII R 19/11