BMF, Schreiben v. 6.8.2001, IV A 4 - S 0062 - 7/01, BStBl I 2001, 504
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird der Anwendungserlass zur Abgabenordnung vom 15.7.1998 (BStBl 1998 I S. 630), der zuletzt durch BMF-Schreiben vom 10.5.2001 (BStBl 2001 I S. 310) geändert worden ist, wie folgt geändert:
1. Die Regelung zu § 122 wird wie folgt geändert:
In Nummer 1.7.3 wird Satz 2 um folgende Wörter ergänzt:
„(BFH-Urteil vom 5.10.2000, BStBl 2001 II S. 86)”.
Nummer 3.1.2 wird um folgende Wörter ergänzt:
„(BVerwG-Urteil vom 19.9.2000, NJW 2001 S. 458)”.
2. Die Regelung zu § 152 wird wie folgt geändert:
- Die bisherige Nummer 6 wird Nummer 5 und die bisherige Nummer 5 wird Nummer 6.
- Nummer 8 wird wie folgt gefasst:
„8. Bei der Ermessensentscheidung sind sämtliche in § 152 Abs. 2 Satz 2 ausdrücklich und abschließend aufgezählten Kriterien zu beachten; das Für und Wider der Kriterien ist gegeneinander abzuwägen (BFH-Urteil vom 26.4.1989, BStBl 1989 II S. 693). Wenngleich die Beurteilungsmerkmale grundsätzlich gleichwertig sind, sind sie nicht notwendigerweise in jedem Fall in gleicher Weise zu gewichten. Im Ergebnis kann je nach den Umständen des Einzelfalls ein Merkmal stärker als ein anderes hervortreten (BFH-Urteil vom 11.6.1997, BStBl 1997 II S. 642) oder auch ganz ohne Auswirkung auf die Bemessung bleiben.
Danach gilt für die Anwendung des § 152 Abs. 2 Satz 2 grundsätzlich Folgendes (BFH-Urteil vom 14.6.2000, BStBl 2001 II S. 60 m.w.N.):
- Es ist nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Höhe des Verspätungszuschlags den durch die verspätete Abgabe der Erklärung gezogenen Vorteil erheblich übersteigt.
- Da die Bemessung des Zuschlags nicht durch das Maß des gezogenen Vorteils begrenzt wird, kommt es u.U. nicht entscheidend darauf an, ob und in welcher Höhe letztlich ein Zinsvorteil erzielt wurde.
- Ein Verspätungszuschlag kann auch festgesetzt werden, obwohl es aufgrund von Anrechnungsbeträgen zu einer Erstattung gekommen ist oder wenn ein oder zwei der in § 152 Abs. 2 Satz 2 genannten und in jedem Fall zu prüfenden Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
- Es ist in schweren Fällen (z.B. bei erheblicher Fristüberschreitung, schwerwiegendem Verschulden und hoher Steuerfestsetzung) nicht ermessensfehlerhaft, den Verspätungszuschlag so zu bemessen, dass er als angemessene Sanktion wirkt.
- Bei der Beurteilung der Frage, welche Vorteile der Steuerpflichtige aus der verspäteten oder unterlassenen Abgabe der Steuererklärung gezogen hat, ist zu berücksichtigen, dass Zinsvorteile bereits durch Zinsen nach § 233a teilweise ausgeglichen sein können.”
3. Die Regelung zu § 173 wird wie folgt gefasst:
„Zu § 173 – Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden wegen neuer Tatsachen oder Beweismittel:
1. Tatsachen und Beweismittel
1.1 Tatsache i.S. d. § 173 Abs. 1 ist alles, was Merkmal oder Teilstück eines steuergesetzlichen Tatbestandes sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art (vgl. BFH-Urteile vom 1.10.1993, BStBl 1994 II S. 346, vom 18.12.1996, BStBl 1997 II S. 264 und vom 14.1.1998, BStBl 1998 II S. 371). Zu den Tatsachen gehören auch innere Tatsachen (z.B. die Absicht, Einkünfte bzw. Gewinne zu erzielen), die nur anhand äußerer Merkmale (Hilfstatsachen) festgestellt werden können (vgl. BFH-Urteil vom 6.12.1994, BStBl 1995 II S. 192).
1.1.1 Tatsachen i.S. d. § 173 Abs. 1 sind bei einer Schätzung die Schätzungsgrundlagen (nicht die Schätzung selbst; vgl. im Einzelnen Nr. 7). Tatsachen sind auch vorgreifliche Rechtsverhältnisse aus nichtsteuerlichen Rechtsgebieten (vgl. BFH-Urteil vom 13.10.1983, BStBl 1984 II S. 181). Um Tatsachen und nicht um juristische Wertungen handelt es sich, wenn ein Steuerpflichtiger z.B. unter der Bezeichnung „Kauf”, „Vermietung” oder „Geschäftsführer-Gehalt” in der Steuererklärung vorgreifliche Rechtsverhältnisse geltend macht; derartige Begriffe enthalten eine Zusammenfassung von Tatsachen, die eine bestimmte rechtliche Wertung auslösen (vgl. BFH-Urteil vom 20.12.1988, BStBl 1989 II S. 585). Folglich kann ein Steuerbescheid nach § 173 Abs. 1 geändert werden, wenn sich aufgrund nachträglich bekannt gewordener Tatsachen die vom Steuerpflichtigen übernommene Wertung als unzutreffend erweist.
1.1.2 Keine Tatsachen i.S. d. § 173 Abs. 1 sind Rechtsnormen und Schlussfolgerungen aller Art, insbesondere steuerrechtliche Bewertungen (vgl. BFH-Urteil vom 27.10.1992, BStBl 1993 II S. 569). Entscheidungen des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit einer Rechtsnorm sowie nachträgliche Gesetzesänderungen sind ebenso wenig Tatsachen i.S. d. § 173 Abs. 1 wie die (ggf. anderweitige) Ausübung steuerlicher Wahlrechte oder die Nachholung eines Antrags (vgl. vor §§ 172 – 177, Nr. 8). Ein Antrag kann allerdings nachgeholt werden, soweit die für seine Ausübung relevanten Tatsachen als solche nachträglich bekannt werden (vgl. Nr. 3.2).
1.1.3 Bei Sachverhalten, die bei verschiedenen Steuerpflichtigen steuerlich eigenständig zu berücksichtigen si...