Eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1AO erfordert, dass eine Tatsache nachträglich bekannt wird. Wenn eine Tatsache dem FA bereits beim Erlass eines vorangegangenen Änderungsbescheids bekannt war, ermöglicht § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO grundsätzlich keine auf diese Tatsache gestützte weitere Änderung des Bescheids. Beachten Sie: Etwas anderes gilt jedoch u.a., wenn es sich bei dem vorangegangenen Änderungsbescheid um eine auf § 165 Abs. 2 AO gestützte Änderung im vollmaschinellen Verfahren aufgrund einer automatisierten Überprüfung sämtlicher ergangener Steuerbescheide zur Umsetzung einer geänderten BFH-Rspr. handelte (BFH v. 28.5.2020 – X B 19/20, BFH/NV 2020, 1044 = AO-StB 2020, 314 [Steinhauff]).
Der FinBeh. gilt nur der Inhalt der Akten als bekannt, die in der zuständigen Dienststelle für den zu veranlagenden Steuerpflichtigen geführt werden. Wählen Ehegatten, die zuvor zusammenveranlagt wurden, die Einzelveranlagung, gelten auch Tatsachen als bekannt, die sich aus den Akten zusammenveranlagter Ehegatten ergeben, wenn insoweit dieselbe Dienststelle zuständig ist (BFH v. 26.5.2020 – IX R 30/19, BFH/NV 2020, 1233 = AO-StB 2020, 345 [Steinhauff]).
Eine nachträglich bekannt gewordene Tatsache i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO liegt auch dann vor, wenn der Steuerpflichtige seinen Steuererklärungen Bescheinigungen des Versorgungswerks über die insgesamt entrichteten Mitgliedsbeiträge eines Jahres beigefügt hat, sich aus diesen Bescheinigungen und den sonstigen dem FA vorliegenden Informationen aber nicht die Höhe des vom Steuerpflichtigen letztendlich selbst getragenen Beitrags zu seiner Altersvorsorge ergibt (FG Düsseldorf v. 28.1.2020 – 10 K 546/19 E, EFG 2020, 698).
Die Änderung eines Steuerbescheids gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO setzt voraus, dass dem FA eine bereits vorhandene Tatsache erst nachträglich bekannt wird. Soweit allerdings Hilfstatsachen, die den Schluss auf eine innere Haupttatsache (im Streitfall die Einkünfteerzielungsabsicht) zulassen, betroffen sind, kommt es nicht auf den Zeitpunkt der Entstehung der Tatsache, sondern allein auf das Bekanntwerden nach Erlass des Steuerbescheids an (FG Nds. v. 25.2.2020 – 9 K 112/18, EFG 2020, 1077).
Die Änderung eines bestandskräftigen Steuerbescheids gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO setzt voraus, dass eine Tatsache nachträglich, nämlich nach abschließender Zeichnung des Eingabewertbogens oder der Zeichnung der abschließenden Verfügung, bekannt geworden ist und zu erwarten war, dass das FA bei rechtzeitiger Kenntnis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anders entschieden hätte (FG BW, Außensenate Freiburg v. 26.2.2020 – 2 K 1774/17 EFG 2020, 1424, Rev. eingelegt, Az. des BFH: VI R 1/21).
Neue Tatsachen können die Änderung eines Steuerbescheids nach § 173 Abs. 1 AO nur rechtfertigen, wenn sie rechtserheblich sind. Ein erstmalig nach einem endgültigen Bescheid gestelltes Empfängerbenennungsverlangen und eine darauf erfolgende ggf. unzureichende Antwort des Steuerpflichtigen sind keine neue Tatsache und daher als solche niemals geeignet, eine Änderungsbefugnis nach § 173 AO zu begründen (FG Köln v. 1.10.2020 – 13 K 3220/17, EFG 2021, 1267).