1. Aufhebung oder Änderung bei fehlender oder unzutreffender Berücksichtigung von Daten (§ 175b Abs. 1 AO)
Ein Steuerbescheid oder ein diesem gleichgestellter Bescheid ist zugunsten wie zu Ungunsten des Steuerpflichtigen aufzuheben oder zu ändern, soweit von der mitteilungspflichtigen Stelle an die Finanzbehörde übermittelte Daten i.S.d. § 93c AO bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden. Nicht berücksichtigt sind Daten, wenn sie bei der Steuerfestsetzung nicht herangezogen, bei der Steuerfestsetzung nicht ausgewertet wurden (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 175b AO Rz. 6 [Okt. 2020]. Nicht zutreffend berücksichtigt sind Daten, wenn sie aus welchen Gründen auch immer bei der Steuerfestsetzung zwar herangezogen wurden, dies aber falsch geschah, oder wenn sie einer falschen Person zugerechnet wurden (BFH v. 8.9.2021 – X R 5/21, BStBl. II 2022, 398).
Mitteilung mitteilungspflichtiger Stellen: Zur Ermittlung des der Besteuerung zu unterwerfenden Sachverhalts ist die Finanzbehörde oft auf die Mitwirkung, insb. auf Informationen anderer Behörden und Stellen angewiesen. Aus Einzelsteuergesetzen ergibt sich, welche Stelle mitteilungspflichtig ist und welche Daten zu übermitteln sind. Mitteilungspflichtige Stelle ist jeder mitteilungspflichtige Dritte gleich welcher Rechtsform. Dritter ist, wer nicht Beteiligter i.S.d. § 78 AO ist. § 93c AO regelt die elektronische Datenübermittlung.
Daten i.S.d. § 93c AO: § 93c AO enthält die Verfahrensvorschriften, die bei der elektronischen Übermittlung von Daten durch mitteilungspflichtige Stellen an die Finanzbehörde zu beachten sind. Unter Daten i.S.d. § 93c AO ist nicht nur der Datensatz zu versstehen, dessen (Mindest-)Inhalt in § 93c Abs. 1 Nr. 2 AO geregelt ist, sondern darunter fallen alle steuerlichen Daten eines Steuerpflichtigen, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften von einer mitteilungspflichtigen Stelle an Finanzbehörden elektronisch zu übermitteln sind, auch diejenigen Daten, deren Übermittlung an die Finanzbehörde erst in einem Einzelsteuergesetz ("auf Grund gesetzlicher Vorschriften") angeordnet wird. Das folgt aus dem Eingangssatz des § 93c Abs. 1 AO, der den Regelungsbereich der Norm umschreibt (Art. 97 § 27 Abs. 2 EGAO; BFH v. 8.9.2021 – X R 5/21, BStBl. II 2022, 398, Rz. 31; von Wedelstädt in Gosch, AO/FGO, § 175b AO Rz. 8 [Mai 2022]; Nöcker, AO-StB 2022, 226 [227]).
Übermittlung korrigierter Daten: Zwar erfasst der Wortlaut des § 175b AO nicht die Folgen der Übermittlung korrigierter Daten durch die mitteilungspflichtige Stelle, gleichwohl ist eine Änderung nach § 175b Abs. 1 AO auch in diesen Fällen zulässig (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 175b AO Rz. 7 [Okt. 2020]; von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 175b AO Rz. 15 [Apr. 2018]; Bartone in Kühn/von Wedelstädt, AO/FGO, 22. Aufl. 2018, § 175b AO Rz. 4).
Beachten Sie: Voraussetzung ist, dass die Steuerfestsetzung durch die unterbliebene oder unzutreffende Berücksichtigung der Daten materiell unrichtig, also rechtswidrig ist, d.h. bei Berücksichtigung oder zutreffender Berücksichtigung der Daten die Steuer höher oder niedriger ausfallen würde, die Daten also rechtserheblich sind (von Wedelstädt in Gosch, AO/FGO, § 175b AO Rz. 10 [Mai 2022]). Zur Rechtserheblichkeit s.u. IV.
Keine Auswirkung auf Korrekturmöglichkeit: Irrelevant ist, ob der Fehler tatsächliche oder steuerrechtliche Gründe hat, d.h. in der Tatsachenwürdigung oder in der rechtlichen Beurteilung liegt (von Wedelstädt in Gosch, AO/FGO, § 175b AO Rz. 11 [Mai 2022]). Ob der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten oder die Finanzbehörde ihre Ermittlungspflichten verletzt hat, ist – anders als nach § 173 AO – ohne Bedeutung (AEAO zu § 175b, Nr. 1 Abs. 1 AO). Unbedeutend ist auch, ob dem Steuerpflichtigen bei Erstellung der Steuererklärung ein Schreib- oder Rechenfehler i.S.d. § 173a AO oder der Finanzbehörde bei Erlass des Steuerbescheids eine offenbare Unrichtigkeit i.S.d. § 129 AO oder ein Rechtsfehler, d.h. eine fehlerhafte Tatsachenwürdigung oder fehlerhafte Rechtsanwendung unterlaufen ist (AEAO zu § 175b, Nr. 1 Abs. 2).
2. Aufhebung oder Änderung bei unrichtigen Daten (§ 175b Abs. 2 AO)
Ein Steuerbescheid oder ein diesem gleichgestellter Bescheid ist aufzuheben oder zu ändern, soweit Daten, die von mitteilungspflichtigen Stellen gem. § 93c AO an die Finanzbehörde übermittelt wurden und nach § 150 Abs. 7 S. 2 AO als Angaben des Steuerpflichtigen gelten, zu Ungunsten des Steuerpflichtigen unrichtig sind. Unrichtig meint unzutreffend oder unvollständig.
Zu mitteilungspflichtiger Stelle und Daten i.S.d. § 93c AO wird auf die Ausführungen unter III.1 verwiesen.
Als eigene Daten: Gemäß § 150 Abs. 7 S. 2 AO gelten Daten, die von mitteilungspflichtigen Stellen nach Maßgabe des § 93c AO an die Finanzverwaltung übermittelt wurden, als eigene Angaben des Steuerpflichtigen, soweit er nicht in einem dafür vorgesehenen Abschnitt oder Datenfeld der Steuererklärung abweichende Angaben macht. Macht er keine abweichenden Angaben, legt die Finanzbehörde diese Daten der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen zugrunde; eine Überprüfung der Daten auf ihre Richtigkeit durch den Steuerpflichtigen findet n...