Leitsatz
Trifft sowohl das Finanzamt als auch den Steuerpflichtigen ein Verschulden an einem nachträglichen Bekanntwerden, hat eine Abwägung des Verschuldens zu erfolgen.
Sachverhalt
Klägerin war eine GbR. Diese bildete in der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG im Jahr 2006 eine Ansparrücklage nach § 7g EStG. Eine Anschaffung der Wirtschaftsgüter erfolgte indes in 2007 nicht, die Rücklage wurde aber nicht aufgelöst. Für 2008 wurde keine Steuererklärung eingereicht, so dass es zunächst zu einer Schätzung kam. Als Anfang 2011 die Steuererklärungen eingereicht wurden, erließ das Finanzamt ohne Vorbehalt der Nachprüfung Änderungsbescheide auf der Grundlage der eingereichten Steuererklärungen. Die Auflösung der Rücklage unterblieb. Im Rahmen der Prüfung der Steuererklärung 2009 stellte das Finanzamt fest, dass die Rücklage aufzulösen gewesen wäre. Es änderte deshalb die Steuerfestsetzung 2008 und erhöhte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb um die Rücklage nebst Zuschlag. Die Klägerin wandte sich gegen den Änderungsbescheid mit dem Hinweis auf die eingetretene Bestandskraft. Die Voraussetzungen für eine Änderung der Steuerfestsetzung 2008 seien nicht gegeben.
Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg. Unstreitig sei, dass eine Auflösung der Rücklage nach § 7g EStG spätestens in 2008 hätte erfolgen müssen, da eine Anschaffung der Wirtschaftsgüter nicht erfolgt sei. Die Nichtanschaffung stelle dabei eine Tatsache im Sinne des § 173 AO dar, die auch neu sei. Eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sei allerdings dann ausgeschlossen, wenn Treu und Glauben dem entgegenstehen, insbesondere wenn das Finanzamt die Tatsache bei einer ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Dabei sei hier aber zu berücksichtigen, dass auch die Klägerin ihre Steuererklärungspflichten nicht zutreffend erfüllt habe, da die abgegebene Steuererklärung unzutreffend war. Bei einem beiderseitigen Verschulden habe eine Abwägung zu erfolgen. Hierbei wiege der Pflichtenverstoß des Steuerpflichtigen erheblich schwerer als der Verstoß des Finanzamts gegen seine Ermittlungspflichten. Insbesondere habe er Unterlagen nicht vollständig eingereicht.
Hinweis
Es entspricht der gefestigten Rechtsprechung des BFH, dass bei einem beiderseitigen Verschulden, also wenn sowohl die Finanzverwaltung als auch der Steuerpflichtige gegen Ihnen obliegende Pflichten verstoßen haben, eine Abwägung zu erfolgen hat (BFH, Urteil v. 11.11.1987, I R 108/85, BStBl 1988 II S. 115; vgl. auch Frotscher, in Schwarz, AO, § 173 AO Rz. 159). Dabei scheidet eine Änderung zu Lasten des Steuerpflichtigen nur dann aus, wenn die Pflichtverletzung der Finanzverwaltung erheblich schwerer wiegt als die des Steuerpflichtigen (BFH, Urteil v. 20.12.1988, VIII R 121/83, BStBl 1989 II S. 585; BFH, Urteil v. 20.12.2000, III B 43/00, BFH/NV 2001 S. 744). Dies soll insbesondere dann der Fall sein, wenn der Steuerpflichtige die Unterlagen vollständig eingereicht hat (Frotscher, in Schwarz, AO, § 173 AO Rz. 161f.). Auf dieser Leitlinie liegt auch die Entscheidung des FG München. Zwar hätte das Finanzamt genauer ermitteln können, doch ist auch die Klägerin ihrer Pflicht zu Abgabe einer Steuererklärung nicht angemessen nachgekommen. Vor allem wurden Unterlagen nicht vollständig eingereicht. Nimmt man dies als zutreffend an, erscheint die Entscheidung des Finanzgerichts richtig und nicht überraschend. Das Urteil ist rechtskräftig.
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 21.05.2014, 8 K 3645/12