Ist ein bestimmter Sachverhalt in 2 Steuerbescheiden berücksichtigt, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, ist nur einer davon richtig. Der fehlerhafte Steuerbescheid ist aufzuheben oder zu ändern, auch wenn er unanfechtbar ist.
Eine Mehrfacherfassung liegt vor, wenn der Sachverhalt irrtümlich verschiedenen Steuerpflichtigen (Subjektkollision), verschiedenen Steuerarten (Objektkollision) oder verschiedenen Besteuerungszeiträumen (Periodenkollision) zugeordnet worden ist.
Wirkte sich die mehrfache Berücksichtigung des Sachverhalts in dem unrichtigen Steuerbescheid zuungunsten des Steuerpflichtigen aus, kann nach § 174 Abs. 1 AO eine Änderung nur auf dessen Antrag erfolgen.
Ein Steuerbescheid kann bei Doppelberücksichtigung eines Sachverhalts auch dann nach Maßgabe von § 174 Abs. 1 AO geändert werden, wenn der widerstreitende Steuerbescheid von einer Behörde eines EU-Mitgliedstaats stammt.
Bezüglich des Ablaufs der Festsetzungsfrist gibt es eine Verlängerung.
Periodenkollision
Im Jahr 02 zugeflossene Einnahmen sind in den Einkommensteuerbescheiden des S für 01 und 02 angesetzt worden. Der unrichtige Bescheid für 01 ist zu korrigieren.
Kein Widerstreit bei Schätzung
S behauptet, dass im Einkommensteuerbescheid für 02 erfasste Einnahmen auch im Bescheid für 01, der wegen Nichtabgabe der Steuererklärung auf einer Vollschätzung beruht, berücksichtigt worden seien. Ein bestimmter Sachverhalt ist demnach in mehreren Steuerbescheiden "berücksichtigt" worden, wenn er dem Finanzamt bei der Steuerfestsetzung oder Gewinnfeststellung bekannt war und als Entscheidungsgrundlage herangezogen und verwertet wurde. Dies ist bei der Vollschätzung auszuschließen. Eine Änderung nach § 174 Abs. 1 AO ist daher nicht möglich.
Subjektkollision
Dieselben Einnahmen sind bei A und bei B erfasst worden. Bei A war es richtig, bei B nicht. Der Einkommensteuerbescheid gegenüber B ist zu korrigieren.
Objektkollision
Ein einkommensteuerlich relevanter Geldzufluss wird zusätzlich als Zuwendung der Schenkungsteuer unterworfen. Es ist ein Fall des § 174 Abs. 1 AO gegeben.
Doppelerfassung im selben Bescheid
Einnahmen wurden im selben Einkommensteuerbescheid 2-mal erfasst. Hier liegt kein Fall des § 174 Abs. 1 AO vor, da die Einnahmen nicht in 2 Bescheiden erfasst wurden. Es wäre aber eine Korrektur nach anderen Vorschriften zu prüfen, z. B. nach § 129 AO oder § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO.
Wirkte sich die mehrfache Berücksichtigung des Sachverhalts in dem unrichtigen Bescheid zugunsten des Steuerpflichtigen aus, ist zwar ohne Antrag von Amts wegen zu ändern. Jedoch darf der fehlerhafte Bescheid – aus Gründen des Vertrauensschutzes des Steuerpflichtigen – gem. § 174 Abs. 2 Satz 2 AO nur geändert werden, wenn die mehrfache Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.
Unter den Begriff des Antrags oder der Erklärung fallen nicht nur solche, die unter Verwendung des amtlichen Vordrucks abgegeben sind, sondern auch formlose Mitteilungen und Auskünfte aller Art.
Falsche Sachverhaltsdarstellung
S hat dieselben Ausgaben mit den Einkommensteuererklärungen für 01 und für 02 erklärt. Entsprechend wurde veranlagt. Für 01 waren die Erklärung und die Veranlagung insoweit falsch. Der Einkommensteuerbescheid für 01 ist zu korrigieren, die Berücksichtigung der Ausgaben war auf die Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen.
Dies gilt auch, wenn die Doppelberücksichtigung eines Sachverhalts nicht nur irrtümlich, sondern bewusst herbeigeführt worden ist.
Bewusste Doppelerfassung
Das Finanzamt erlässt aufgrund einer fehlerhaften Angabe des Steuerpflichtigen einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 01, in welchem erst im Jahr 02 entstandene Werbungskosten berücksichtigt sind. Nachdem der Fehler anlässlich der Veranlagung für 02 entdeckt wurde, werden die Werbungskosten erneut berücksichtigt. Wegen der nunmehr vorliegenden Doppelerfassung wird aber sofort das Jahr 01 entsprechend korrigiert.
Falsche rechtliche Beurteilung
A erklärt Ausgaben als Werbungskosten (richtig), B erklärt dieselben Ausgaben ebenfalls (falsch). Der Bescheid gegenüber B ist zu berichtigen, die Berücksichtigung bei ihm ist auf seine Erklärung zurückzuführen. Anders verhält es sich allerdings, wenn B den Sachverhalt im Einzelnen dargelegt und nur die falschen rechtlichen Schlussfolgerungen daraus gezogen hat, denen das Finanzamt gefolgt ist. Das Finanzamt muss selbst den Fall rechtlich beurteilen. Zieht es aufgrund des dargelegten Sachverhalts die falschen rechtlichen Schlussfolgerungen (dem Steuerpflichtigen folgend), ist die Berücksichtigung des Sachverhalts nicht auf die Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen. Eine Änderung kommt nur nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO mit Zustimmung des Steuerpflichtigen in Betracht. Sie ist jedoch nicht möglich mit der Begründung, d...