Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermessen des Insolvenzgerichts bzgl. Einberufung der Gläubigerversammlung bei Vorliegen eines formell ordnungsgemäßen, vom Antragsberechtigten unter Angabe der vorgeschlagenen Tagesordnung gestellten Einberufungsantrags. Einberufung einer Gläubigerversammlung bei fehlendem Rechtsschutzinteresse des Antragstellers. Willkürlichkeit eines Antrages auf Einberufung einer Gläubigerversammlung zur Stellung eines Entlassungsantrags gegen den Insolvenzverwalter
Leitsatz (amtlich)
1. Liegt ein formell ordnungsgemäßer, von Antragsberechtigten unter Angabe der vorgeschlagenen Tagesordnung gestellter Einberufungsantrag nach § 75 Abs. 1 InsO vor, so hat das Insolvenzgericht grundsätzlich die Gläubigerversammlung einzuberufen, ohne dass ihm hierbei ein Ermessen zusteht.
2. Die Einberufung ist jedoch abzulehnen, wenn ein Rechtsschutzinteresse des Antragstellers fehlt. Dies ist der Fall, wenn der Antrag offenkundig willkürlich, d.h. ersichtlich ohne sachlich vertretbaren Grund, gestellt wird, insbesondere, wenn der angestrebte Beschluss außerhalb der Beschlusskompetenz der Gläubigerversammlung läge oder sonst offenkundig rechtswidrig wäre.
3. Ein Antrag auf Einberufung der Gläubigerversammlung zur Stellung eines Entlassungsantrags gegen den Insolvenzverwalter (§ 59 Abs. 1 Satz 2 InsO) ist offensichtlich willkürlich, wenn ein wichtiger Grund, der die Entlassung des Verwalters rechtfertigen könnte, vom Antragsteller nicht einmal im Ansatz schlüssig vorgetragen oder sonst ersichtlich ist.
Normenkette
InsO § 75
Tenor
Die Anträge des weiteren Beteiligten (Antragstellers) vom 04.05.2010 und vom 02.06.2010 auf Einberufung einer Gläubigerversammlung werden auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Über das Vermögen des Schuldners, eines selbständigen Zahnarztes, wurde am 26.2. 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet. Im Dezember 2009 gab der Insolvenzverwalter hinsichtlich der Zahnarztpraxis des Schuldners eine Freigabe- und Enthaftungserklärung nach § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO ab. Ein Beschluss der Gläubigerversammlung vom 11.3. 2010, mit dem sie beim Insolvenzgericht beantragte, die Unwirksamkeit der Verwaltererklärung anzuordnen, wurde durch rechtskräftigen Beschluss des AG Duisburg vom 22.4. 2010 – 60 IN 26/09, bestätigt durch Beschluss des LG Duisburg vom 24.6. 2010 – 7 T 109/10, wegen Verstoßes gegen die gemeinsamen Interessen der Insolvenzgläubiger (§ 78 Abs. 1 InsO) aufgehoben.
Der Antragsteller – ein Insolvenzgläubiger, dessen Forderungen bisher in Höhe von insgesamt 4.486,54 EUR zur Tabelle festgestellt und im Übrigen vom Insolvenzverwalter bestritten sind – hat mit Schreiben seines Verfahrens-bevollmächtigten vom 4.5. 2010 und vom 2.6. 2010 die Einberufung einer Gläubigerversammlung beantragt. Zweck der Versammlung soll die Abberufung des bisherigen und die Bestellung eines neuen Insolvenzverwalters sowie die Beschlussfassung über die Veräußerung der Zahnarztpraxis des Schuldners als Ganzes an den Antragsteller oder einen Dritten sein. Der Antragsteller ist der Ansicht, die Freigabe- und Enthaftungserklärung des Insolvenzverwalters vom Dezember 2009 sei pflichtwidrig und schädige die Gläubiger.
Entscheidungsgründe
II.
Die Anträge sind unzulässig. Abgesehen davon, dass der Antragsteller nicht die in § 75 Abs. 1 Nr. 4 InsO umschriebenen Voraussetzungen seines Antragsrechts dargelegt hat, sind die Anträge schon deshalb zurückzuweisen, weil ihnen offensichtlich das Rechtsschutzinteresse fehlt.
1.
Liegt ein formell ordnungsgemäßer, von einem oder mehreren Antrags-berechtigten unter Angabe der vorgeschlagenen Tagesordnung gestellter Einberufungsantrag nach § 75 Abs. 1 InsO vor, so hat das Insolvenzgericht grundsätzlich die Gläubigerversammlung einzuberufen, ohne dass ihm hierbei ein Ermessen zusteht. Wie bei jedem Antrag auf eine gerichtliche Entscheidung oder Anordnung kann jedoch auch hier der Gesichtspunkt des Rechts-schutzinteresses nicht völlig außer Betracht bleiben (vgl. hierzu MünchKomm-InsO/Ehricke, 2. Aufl. 2007, § 75 RdNr.4). Dies gebietet, was gelegentlich verkannt wird (vgl. Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 75 RdNr. 7), schon die Rücksicht auf den Justizgewährungsanspruch anderer Schuldner und Gläubiger. Diese dürfen zu Recht erwarten, dass die Zeit und die Arbeitskraft der Angehörigen des Insolvenzgerichts nicht durch die Bearbeitung offenkundig sinnloser und sachfremder Anträge mehr als notwendig verbraucht wird.
Im Fall eines Einberufungsantrags fehlt das erforderliche Rechtsschutz-interesse, wenn der Antrag offenkundig willkürlich, d.h. ersichtlich ohne jeden sachlich vertretbaren Grund, gestellt wird. Dies gilt insbesondere, wenn sich aus den Angaben des Antragstellers ergibt, dass der von ihm angestrebte Beschluss, wenn er gefasst würde, außerhalb der Beschlusskompetenz der Gläubigerversammlung läge (LG Hamburg NZI 2010, 263 = ZInsO 2010, 146 f.; AG Duisburg NZI 2010, 303 f. = ZIP 2010, 847 = ZInsO 2010, 815) oder sonst offenkundig rechtswidrig wäre. Das Insolvenzgericht ist nich...