Leitsatz (amtlich)
Das Insolvenzgericht kann den schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter in Verbindung mit einem besonderen Verfügungsverbot ermächtigen, in Wahrnehmung seiner Verfügungsbefugnis Verbindlichkeiten mit dem Rang des § 55 Abs. 2 InsO zu begründen, die nach der Verfahrenseröffnung als Masseverbindlichkeiten gelten.
Die Begründung solcher Verbindlichkeiten unterliegt nach Verfahrenseröffnung nicht der insolvenzrechtlichen Anfechtung.
Tenor
In den Insolvenzeröffnungsverfahren wird im Wege des besonderen Verfügungsverbots angeordnet (§ 21 Abs. 1 InsO):
A.
Dem vorläufigen Insolvenzverwalter Dr. Helmut Schmitz wird die alleinige rechtliche Verfügungsbefugnis über folgende Teilbereiche des Vermögens der oben genannten Gesellschaften (Schuldnerinnen) übertragen:
1.
Veräußerung des Konzerngeschäftsbereichs Kühltechnik als Gesamtheit oder in Teilen,
2.
Abschluss entsprechender Verträge mit der xxx Corporation in xxx, USA, und mit den mit ihr verbundenen Unternehmen,
3.
Vornahme aller sonstigen damit zusammenhängenden Rechtsgeschäfte, insbesondere die Übernahme von Zahlungsverpflichtungen, Gewährleistungen und Garantien sowie der Abschluss von Wettbewerbsvereinbarungen, Treuhandvereinbarungen, Lieferverträgen, und Mietverträgen.
B.
Der vorläufige Insolvenzverwalter wird ermächtigt, in Wahrnehmung dieser Verfügungsbefugnis Verbindlichkeiten mit dem Rang des § 55 Abs. 2 InsO zu begründen, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeiten gelten.
Gründe
I.
Die Schuldnerinnen (die Muttergesellschaft des Babcock-Borsig-Konzerns und zwei Konzernunternehmen) haben die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen beantragt. Es ist ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und ein allgemeiner Zustimmungsvorbehalt angeordnet (§ 21 Abs. 2 Nr. 1, 2 InsO). Im Einvernehmen mit den Schuldnerinnen beabsichtigt der vorläufige Insolvenzverwalter aller drei Gesellschaften, mit der xxx Corporation in xxx, USA, und den mit ihr verbundenen
Unternehmen schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Vertragswerk über die Veräußerung des wesentlichen Teils des sog. Kühlturmgeschäfts des Konzerns in den USA abzuschließen. Nach Auffassung des vorläufigen Insolvenzverwalters und der Schuldnerinnen ist das Zustandekommen des Geschäfts schon vor einer Verfahrenseröffnung unerlässlich, um den wirtschaftlichen Wert des Kühlturmgeschäfts bestmöglich zu realisieren und für die künftige Insolvenzmasse zu sichern. Die Erwerber haben den Abschluss der Vereinbarungen davon abhängig gemacht, dass nach Verfahrenseröffnung die Bindung des endgültigen Insolvenzverwalters und der Schuldnerinnen an das Vertragswerk sowie die Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten als Masseverbindlichkeiten sichergestellt sind.
II.
Die gerichtlichen Anordnungen beruhen auf § 21 Abs. 1 in Verbindung mit § 22 Abs. 2 InsO. Hat das Insolvenzgericht, wie hier, einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt, ohne dass dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt worden ist, so kann das Gericht entsprechend dem Rechtsgedanken des § 22 Abs. 2 InsO dem vorläufigen Insolvenzverwalter alle Befugnisse einräumen, die zur Sicherung der künftigen Insolvenzmasse erforderlich sind, soweit sie nicht über die Rechte hinausgehen, die dem Verwalter bei Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO) kraft Gesetzes zustünden (AG Duisburg, DZWiR 2000, 307). Es kann daher dem Schuldner auch ein besonderes, auf einzelne Vermögensgegenstände oder Teilbereiche seines Vermögens beschränktes Verfügungsverbot auferlegen und die Verfügungsbefugnis insoweit auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übertragen.
Ebenso kann das Insolvenzgericht, wenn es erforderlich erscheint, den vorläufigen Insolvenzverwalter ermächtigen, in Wahrnehmung dieser Verfügungsbefugnis Masseverbindlichkeiten zu begründen, genauer gesagt: Verbindlichkeiten mit dem Rang des § 55 Abs. 2 InsO, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeiten gelten (OLG Köln ZIP 2001, 1422, 1426 = NZI 2001, 554, 557; Kirchhof, in: Heidelberger Komm. z. InsO, 2. Aufl. 2001, § 22 RdNr. 30; Hefermehl, in: Münchener Komm. z. InsO, 2001, § 55 RdNr. 219). Dies folgt insbesondere aus dem Zweck der Generalklausel des § 21 Abs. 1 InsO. Die Vorschrift soll es dem Gericht ermöglichen, unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit alle Anordnungen zu treffen, die neben der körperlichen Sicherung der künftigen Insolvenzmasse auch deren wirtschaftlichen Wert erhalten oder die sonst im Interesse einer sachgerechten Vorbereitung des Insolvenzverfahrens erforderlich erscheinen. Wie der vorliegende Fall zeigt, kann es unter diesem Gesichtspunkt auch notwendig werden, den vorläufigen Insolvenzverwalter mit der Befugnis auszustatten, für einzelne Teilbereiche des schuldnerischen Vermögens Verbindlichkeiten zu Lasten der künftigen Insolvenzmasse zu begründen, die nach § 55 Abs. 2 InsO nach der Verfahrenseröffnung als Masseverbindlichkeiten gelten. Eine solche Ermächtigung bewirkt...