Leitsatz (amtlich)
Auch nach Aufhebung der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung erlangt eine zwischenzeitlich aus dem Schuldnervermögen an die Insolvenzantragstellerin geleistete Zahlung keine Erfüllungswirkung, da der Schuldner eine wirksame rückwirkende Genehmigung nicht erteilen kann.
II. Die Vorschrift des § 184 Abs. 2 BGB ist auch auf die Nicht-Genehmigung eines vorläufigen Insolvenzverwalters betreffend Schuldnerzahlungen an Insolvenzantragsteller analog anzuwenden.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin – eine Trägerin der Sozialversicherung- stellte unter dem 20.7.2006 Insolvenzantrag gegen den eine Transport-Firma betreibenden Schuldner wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge aus vier Monatsbeiträgen in Höhe von EUR 4.622,25 (inkl. Säumniszuschlägen, Vollstreckungs- und Mahnkosten). Nach Zustellung des Antrages teilte der Schuldner mit, die Forderung in Raten begleichen zu wollen. Das Insolvenzgericht ordnete daraufhin am 9.08.2006 die vorläufige Insolvenzverwaltung mit Übergang der Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners an („starke„ vorläufige Insolvenzverwaltung). Unter dem 16.8.2006 teilte der vorläufige Insolvenzverwalter mit, er habe den Weiterbetrieb des schuldnerischen Unternehmens sichergestellt. Der Schuldner habe einen Anhörungsfragebogen zumindest teilweise ausgefüllt; ein Haftbefehl sein nicht notwendig; der Bruder des Schuldners wolle wohl aber dessen Verbindlichkeiten bei der Antragstellerin begleichen. Aus dem Anhörungsbogen ergeben sich keine liquiden Mittel des Schuldners. Unter dem 18.8.2006 teilte die Antragstellerin mit, der Schuldner habe die Antragsforderung am gleichen Tage beglichen. Sie erklärt das Verfahren für erledigt. Unter dem 29.8.2006 teilt die Antragstellerin mit, die Forderung sei „von dritter Seite” beglichen worden. Nach Mitteilung des vorläufigen Insolvenzverwalters hatte der Schuldner weitere Gläubiger. Das Insolvenzgericht hat am 11.9.2006 nach Zwischenbericht des vorläufigen Verwalters v. 4.9.2006 die angeordnete Sicherungsmaßnahme aufgehoben. Der Schuldner hat zu der ihm am 24.8.2006 zugestellten Erledigungserklärung nicht Stellung genommen.
II.
Zunächst hat das Gericht die antragstellerseitige Erklärung auszulegen: Im vorliegenden Fall hat die antragstellende Gläubigerin die Hauptsache für erledigt erklärt, weil inzwischen die Forderung erfüllt sei. Sie beantragt,
die Kosten des Verfahrens der Gegenseite aufzuerlegen.
Eine übereinstimmende Erledigungserklärung liegt jedoch nicht vor:
Der Schulder hat hierzu innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist nicht Stellung genommen. Mithin hat die Schuldnerseite sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen, weil aus einem Schweigen auf die reine Übersendung einer verfahrensbestimmenden Erklärung (ohne Zusatz des Fingierens einer Zustimmung bei fortdauerndem Schweigen durch das Gericht) nicht auf eine Zustimmung zu dieser Erklärung geschlossen werden kann (HmbKomm-Wehr, § 13 Rz.30).
Der Antrag der Antragstellerin ist daher umzudeuten in einen Feststellungsantrag auf Feststellung der Erledigung des Verfahrens (§ 256 ZPO).
Entscheidungsgründe
Dieser Antrag ist unbegründet. Das Gericht hat den Feststellungsantrag abzuweisen, denn ein erledigendes Ereignis liegt nicht vor:
Zum einen ist die in Rede stehende „erledigende” Zahlung in anfechtbarer Weise (§ 131 Abs.1 Ziff.1 InsO) erfolgt. Die „Drittzahlung” steht der Inkongruenz nicht entgegen: Die Einschaltung eines Dritten bewirkt immer einer inkongruente Deckung, da der Gläubiger „nicht in der Art” Erfüllung beanspruchen kann. BGH v. 8.12.2005 (ZInsO 2006, 94):„ Vereinbart ein Schuldner mit einer Zwischenperson, diese solle für ihn fällige Beiträge an einen Sozialversicherungsträger entrichten, bewirkt allein die Mittelbarkeit dieser Zahlung in der Regel eine inkongruente Deckung (vgl. BGH, Urt. v. 9. Januar 2003 – IX ZR 85/02, ZIP 2003, 356, 358). Inkongruent ist auch die vom Schuldner durch Anweisung einer Zwischenperson erwirkte mittelbare Zahlung an einen seiner Gläubiger, wenn jener Gläubiger keinen Anspruch auf diese Art der Erfüllung hatte (BGHZ 123, 320, 324 f; BGH, Urt. v. 8. Oktober 1998 – IX ZR 337/97, ZIP 1998, 2008, 2011).
Es ist bereits fraglich, ob anfechtbaren Zahlungen eine erledigende Wirkung beigemessen werden kann (AG Hamburg ZInsO 2002, S. 1100= ZIP 2002, S. 2271=ZVI 2002, 413=NZI 2003, 104; Kirchhof, ZInsO 2004, 1168, 1170; bejahend hinsichtlich der erledigenden Wirkung der Zahlung hingegen: HmbKomm-Wehr, § 13 Rz. 24-27: Pape, InbürO 2006, 344, 346; Flöther/Bräuer, ZInsO 2005, 1244, 1247, die aber konzedieren, daß nach der dinglichen Theorie eine Erfüllung nicht eintritt), zumal gem. BGH ZInsO 2003, 1096 in der Insolvenz des Anfechtungsgegners der Anfechtungsanspruch die Qualität eines Aussonderungsrechtes erlangt. Die Annahme kann des weiteren Straftatbestände erfüllen (Teilnahme an Benachteiligung anderer Gläubiger, §§ 283 c, 26, 27 StGB, vgl. BGHSt., NJW 1993, S. 1278). In einem solchen Fall der Annahme anfechtbarer Z...