Entscheidungsstichwort (Thema)
Kriterien für die Abgrenzung von kongruenten zu inkongruenten Leistungen des Schuldners. Verstoß der Rechtsprechung des BGH gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung aufgrund des Überschreitens der Grenzen richterlichen Rechtsfortbildung. Voraussetzungen für eine Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters. Umfang der „Rückschlagsperre” i.S.v. § 88 Insolvenzordnung (InsO) Klassifizierung einer Vermögensverschiebung unter dem Druck der Zwangsvollstreckung als „freiwillige” Leistung
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1; InsO §§ 88, 130 ff.
Verfahrensgang
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Durch Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 14.10.2008 (Aktenzeichen: …) ist der Kläger zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der … GmbH bestellt worden. Die Verfahrenseröffnung erfolgte aufgrund des am 6.8.2008 bei Gericht eingegangenen Antrags der Schuldnerin.
Der Beklagte war früher Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin und deren Gläubiger mit einer Forderung in Höhe von 764,30 EUR. Diesen Betrag hat er aufgrund eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vereinnahmt. Der Beschluss wurde der Drittschuldnerin, der Sparkasse … am 10.6.2008 zugestellt. Die Forderung wurde aufgrund dieses Beschlusses vom Konto der Klägerin von der Sparkasse … am 10.6.2008 überwiesen.
Der Kläger meint, dass der Beklagte den Betrag zu erstatten habe, weil die Überweisung in der sogenannten „kritischen Phase” (drei Monate vor dem Insolvenzeröffnungsbeschluss) im Wege der Zwangsvollstreckung erlangt sei. Weiter meint der Kläger, dass es durch die Nichtzahlung des Arbeitslohns für den Beklagten hinreichend erkennbar geworden sei, dass die Nichtzahlung auf einem objektiven Mangel an Geldmitteln beruht habe (vgl. dazu in der Klageschrift auf S. 4).
Er beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 764,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.10.2008 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bestreitet, eine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Klägerin und – erst recht – eine eigene Kenntnis dazu.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Schriftwechsel der Parteien und auf den Beschluss des Gerichts vom 29.1.2010 (Bl. 61 f. GA) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist zulässig.
Das Gericht geht davon aus, dass zu Recht der Rechtsweg der ordentlichen Gerichtsbarkeit beschritten worden ist (vgl. dazu BAG, Beschluss vom 2.4.2009 – IX ZB 182/08 –, NJW 2009, 1968 und BAG, Beschluss vom 15.7.2009 – GmS-OGB 1/09 –, NJW 2009, 3389). Das Gericht hat die Parteien auf diese Einschätzung der Rechtslage mit Beschluss vom 29.1.2010 hingewiesen. Einwendungen dagegen sind nicht erhoben worden.
II.
Die Klage ist jedoch nicht begründet.
Der Vollständigkeit halber ist dabei zunächst festzustellen, dass seitens des Klägers nicht zureichend dargetan worden ist, dass der Beklagte Kenntnis von der finanziellen Schieflage der Insolvenzschuldnerin besessen habe. Alleine aus der Nichtzahlung des Arbeitslohnes – mehr wird dazu von dem Kläger nicht vorgetragen – konnte der Beklagte diesen Schluss nicht ziehen. Ergänzend wird dazu auf die Ausführungen des Beklagtenvertreters Bezug genommen, der überzeugend dargelegt hat, dass das Verhalten der Insolvenzschuldnerin aus Sicht des Beklagten durchaus ohne weiteres auf einer anderweitigen Motivation beruhen konnte. Dazu ist für den Kläger keine Stellungnahme mehr abgegeben worden.
Entscheidend – und so offenbar auch von dem Kläger gesehen – ist daher alleine, ob der Rechtsprechung des BGH zur Insolvenzanfechtung von Leistungen, die im Wege der Zwangsvollstreckung in der „kritischen Phase” erwirkt worden sind, zu folgen ist.
Dieser Rechtsprechung vermag sich das erkennende Gericht indessen nach wie vor nicht anzuschließen. Dazu wird zunächst auf ein Urteil vom 8.11.2005 – 22 C 158/05 – (abgedruckt in ZIP 2005, 2327 [AG Kerpen 08.11.2005 – 22 C 158/05] sowie in der ZinsO 2006, 219 – mit einer Anmerkung von Marotzke – ZinsO 2006, 190) Bezug genommen (vgl. dazu auch Eckardt, EWiR § 131 InsO 2/06, S. 215 f. sowie App, ZfS 2005, 193 ff.). Das Gericht hält dabei ausdrücklich nicht daran fest, dass der Gesetzgeber zur Lösung des Problems der Vollstreckung vor der Verfahrenseröffnung „ein gesc...