Zusammenfassung
Agilität gilt bei vielen als Synonym für agile Methoden, agiles Vorgehen oder agiles Arbeiten. Dies bleibt nicht ohne Folgen, sondern verursacht verschiedene Missverständnisse innerhalb der Unternehmen. Hört beispielsweise ein CFO über den Flurfunk, dass seine Buchhaltung auf einmal agil werden soll, stößt das bei ihm womöglich nicht gerade auf ungeteilte Begeisterung. Seine Ablehnung liegt hierbei in einem sehr eindimensionalen Verständnis des Agilitätsbegriffs: Agil wird häufig mit agilen Prozessen, wie Scrum, gleichgesetzt. Dabei stellen die agilen Prozesse nur einen Teil dar bzw. bilden nur eine von 6 Dimensionen, in der ein Unternehmen mehr Agilität erzeugen kann. In diesem Beitrag werden die Einführung agiler Prozesse näher beleuchtet.
1 Hindernisse und Herausforderungen bisheriger Prozess-Welten
Im klassischen Wasserfallvorgehen eines Projekts werden die unterschiedlichen Projektphasen zunächst vollständig geplant, ehe mit der Produktion begonnen wird, und jede Phase muss abgeschlossen sein, ehe mit der nächsten begonnen wird. Dieses Vorgehensmodell ist ein sequentielles Verfahren, das mit der erstmaligen Auslieferung des Ergebnisses endet. Dies führt dazu, dass der Zeitraum von der Planung bis zur Auslieferung je nach Projektumfang sehr lang werden kann. Darüber hinaus werden Zwischenstände häufig nicht festgehalten, geschweige denn visualisiert. Stattdessen werden oft aufwändige Reportings erstellt, die bei Erscheinen oftmals schon wieder veraltet sind. Dieser Vorgehensansatz basiert auf der Annahme, dass zu Beginn des Vorhabens alle Aufgaben, Rahmenbedingungen und Eventualitäten soweit klar sind, dass das Ziel in geplanter Form erreicht werden kann. Sofern die tatsächlichen Gegebenheiten diese Annahme unterstützen, ist das Wasserfallvorgehen ein durchaus gangbarer Weg. In der heutigen Zeit und im Zuge steigender Komplexität kann jedoch immer seltener von diesem Fall ausgegangen werden. Dadurch kommt der entscheidende Nachteil des Wasserfallvorgehens noch deutlicher zum Tragen: seine mangelnde Flexibilität. Es kann nicht ohne Weiteres spontan auf veränderte Umstände reagiert werden. Eingriffe in den Ablauf sind per se nicht vorgesehen und wenn, dann nur mit erheblichem Mehraufwand umsetzbar, da entweder die Kosten, die Produktionsdauer oder gar beides steigen und auf das Feedback des Kunden nicht flexibel reagiert werden kann.
In wasserfallartigen Projektprozessen werden Richtung und Direktive seitens des Managements klar vorgegeben. Eine Einmischung durch das an der Umsetzung beteiligte Team ist nicht vorgesehen. Entscheidungen werden ausschließlich auf Managementebene getroffen und die Führungskräfte übernehmen konsequent die Verantwortung für sämtliche den Prozess betreffende Entscheidungen. Den Teams fehlt die Ermächtigung, selbstverantwortlich zu handeln oder flexibel zu entscheiden. Davon abgesehen verfügen sie ohnehin nur über einen eng abgesteckten Wirkungsbereich, über dessen Tellerrand hinaus sie weder agieren dürfen noch wollen.
2 Ziele agiler Prozesswelten
Das bisher (meist) vorherrschende wasserfallartige Vorgehensmodell und die damit verbundenen Kulturen sowie Denkweisen in den Unternehmen kommen bei steigender Komplexität der Markt- und Kundenbedürfnisse an ihre Grenzen. Dies ist sicherlich auch der Tatsache geschuldet, dass diese Modelle suggerieren, dass die Zukunft im Detail plan- und vorhersehbar wäre und die die Zukunft betreffenden Veränderungen träge ablaufen würden und daher leicht antizipierbar wären.
Um Veränderungen hin zu mehr Agilität zu bewirken, können stattdessen auf prozessualer Ebene agile Methoden, wie beispielsweise der populäre Scrum-Ansatz, eingesetzt werden. Insbesondere im Bereich der Produktentwicklung wird deshalb oft mit agilen Methoden gestartet. Die Ursachen für den Handlungsdruck können durchaus unterschiedlich sein. Ob nun die Dauer bis zur Marktreife neuer Produkte zu lang ist, Pläne nicht eingehalten werden, die Qualität zu wünschen übriglässt, die Produktion zu teuer oder der Nutzen nicht ausreichend ist: Die Unternehmen verspüren den Druck, etwas an den Prozessen verändern zu müssen und agilen Methoden eilt der Ruf voraus, Antworten und Lösungen für die aufgezählten Probleme zu liefern.
Nicht ohne Grund wurde in den letzten Jahren vor allem das Vorgehen in der digitalen Produkt- und Softwareentwicklung verändert. Digitale Produkte weisen andere Merkmale auf als klassische Softwarelösungen, die meist eher intern genutzt wurden, um die Produkte oder Dienstleistungen einem Kunden zu verkaufen. Heute ist die "Software" Teil des Produkts und der Kunde stellt entsprechend gewisse Anforderungen daran, beispielsweise hinsichtlich der Usability od...