5.1 Der bisherige Standard: klassisches Projektmanagement
Um bei dem Beispiel mit dem Hausbau zu bleiben, kommt hierbei üblicherweise dieses, oder ein sehr ähnliches, Planungswerkzeug des klassischen Projektmanagements ins Spiel: das Gantt-Diagramm.
Abb. 2: Klassisches Projektmanagement, Gantt-Diagramm
Mithilfe dieses Planungswerkzeuges werden zu Beginn des Projektes entlang einer Zeitachse alle aufeinanderfolgenden Aktivitäten und Meilensteine über den gesamten Projektzeitraum vorgeplant.
Um es hier aus der Sichtweise des agilen Projektmanagements zu sagen: Im klassischen Projektmanagement wird zu einem Zeitpunkt, zu dem noch sehr wenig über das Produkt bekannt ist, möglichst viel geplant. Diese Planung ist bei traditionellen Projekten durchaus sinnvoll, da z. B. die Tätigkeit des Zimmermanns genau auf den August gelegt werden kann, damit dieser vorausplanen kann. Dies erzeugt Planungssicherheit, alle Projektbeteiligte können ihre notwendigen Ressourcen frühzeitig planen.
Was hierbei nicht willkommen ist, sind Änderungen. Diese sind zwar möglich, aber sie sind nicht als natürlicher Teil des Prozesses berücksichtigt. Die Grundannahme ist: Sobald der Prozess steht, sollten etwaige Änderungen auf ein Minimum reduziert werden, um einen reibungslosen Ablauf und eine termingerechte Fertigstellung zu gewährleisten. Kommen dann Änderungen – und die gibt es immer – sind diese zwar möglich, doch aufgrund des Prozessflusses neigt man dazu, diese als Störungen im geplanten Ablauf zu sehen. Und nicht nur dies, auch der Kunde wird nicht als wertvolle Quelle von Ideen und Anregungen angesehen, sondern als Opponent.
Selbstverständlich sind grundsätzlich auch klassische Prozesse in der Lage, mit Änderungen umzugehen, aber das ganze System ist nicht dahingehend optimiert – und daran zeigen sich auch schnell einige wichtige Unterschiede, da die Wahl der Mittel nicht nur das Vorgehen, sondern auch die Denkweise beeinflusst.
Im klassischen Projektmanagement kann es vorkommen, dass Mitarbeiterinnen über einen längeren Zeitraum mit einer Aufgabe beschäftigt sind. Falls dann Änderungen anstehen, liegt es in der Natur der Sache, dass Mitarbeiter diese eher negativ betrachten. Menschen verändern sich nun mal nicht gern, und schon gar nicht, wenn sie viel Energie in die jeweilige Aufgabe gesteckt hatten.
Ich stelle dieses Geschehen hier absichtlich ein wenig überspitzt dar, um den Punkt klarzumachen: Die Wahl des Managementwerkzeuges beeinflusst unser Mindset.
5.2 Der neue Ansatz: agiles Projektmanagement
Die Aktivität des Hausbauens kann sehr gut mit klassischem Projektmanagement verglichen werden, bei dem erst eine Phase abgeschlossen sein muss, bevor wir in die nächste Phase übergehen. Von diesem Vorgehen leitet sich auch der Vergleich von klassischem Projektmanagement zu einem Wasserfall ab. Im Vergleich dazu kann die frühe Phase der Ideenfindung sehr gut als ein agiler Prozess beschreiben werden: In der Entwurfsphase trifft sich der werdende Hausbesitzer mit den Architekten, um gemeinsam an der Idee zu arbeiten. Nach dem ersten Entwurf besprechen die Beteiligten den Stand der Skizzen. Danach geht es in die nächste Skizzenrunde. Runde für Runde werden die Zeichnungen deutlicher, bis das Design fertig ist. Dies entspricht formal einem agilen Vorgehen: Es entsteht ein Kreislauf aus kleinen Entwurfsphasen und regelmäßigem Feedback. Ist das Ergebnis gut, geht es in die nächste Phase, ist das Ergebnis nicht zufriedenstellend, wird es im nächsten Zyklus verbessert.
Abb. 3: Agiler Kreislauf
Grundsätzlich gilt: Solange sicher zu versagen, bis man Erfolg hat.
Damit dieser Kreislauf auch erfolgreich angewendet werden kann, ist ein großes Umdenken vonnöten, wie diese kleinen Zwischenschritte in verständlichen Aufgabenpaketen beschrieben werden. Anders als im klassischen Projektmanagement sollen hierbei kleine funktionierende Teilstücke entstehen, die in sich schon einen Wert darstellen – damit wird eine frühe Wertschöpfung gewährleistet. Diese kleinen Teilstücke sollten also auch in ersten frühen Projektphasen bereits einen Querschnitt des Ganzen abbilden. Das Beispiel mit Entwurfsskizzen im Hausbau passt hierbei ganz gut. In den ersten Treffen geht es um das große ganze Bild, um ein frühes Konzept. Erste dicke Bleistiftstriche geben noch keine Aussage über Details, aber die grobe Form wird angedeutet. Erst im Lauf des Prozesses schält sich die endgültige Form heraus. Eine enge Abstimmung zwischen Kunde und Projektleiter ist hierbei sehr wichtig.
Im agilen Projektmanagement kommt der Aufgabenbeschreibung im Unterschied zum klassischen Vorgehen somit eine ganz andere Bedeutung zu. Wir versuchen, das Ziel so genau wie nötig, aber auch so offen wie möglich zu beschreiben. Damit soll sichergestellt werden, dass die Kreativität der Bearbeiterteams nicht schon in der Aufgabenbeschreibung eingeschränkt wird.
Die Bestandteile: Epics und User Stories
Eines der verbreitetsten agilen Werkzeuge, um Ziele und Aufgaben zu beschreiben sind "Epics" und "User Stories". Eine Epic beschreibt das große Bild unseres Vorhabens. In unserem Hausprojekt entspricht also der Wunsc...