Leitsatz
1. Im Rahmen der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft kann von der finanziellen Eingliederung weder auf die organisatorische noch auf die wirtschaftliche Eingliederung geschlossen werden.
2. Der aktienrechtlichen Abhängigkeitsvermutung aus § 17 AktG kommt keine Bedeutung im Hinblick auf die organisatorische Eingliederung bei der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft zu.
3. Die organisatorische Eingliederung setzt in aller Regel die personelle Verflechtung der Geschäftsführungen des Organträgers und der Organgesellschaft voraus.
Normenkette
§ 2 Abs. 1, Abs. 2 UStG 1999, Art. 4 Abs. 4 der 6. EG-RL
Sachverhalt
An der Klägerin, einer GmbH, waren die K-GmbH zu 70 % sowie von U und H in Höhe zu jeweils 15 % beteiligt. Gemeinsam vertretungsberechtigte Geschäftsführer der Klägerin waren U und H. Das Stammkapital der K-GmbH hielten je zur Hälfte deren Geschäftsführer A und B. Die K-GmbH war Geschäftsführerin und persönlich haftende Gesellschafterin diverser Personengesellschaften und zu 100 % an verschiedenen GmbHs (Geschäftsführer jeweils U und H) beteiligt. Die Klägerin erbrachte Managementleistungen an die GmbHs. Über ihre Geschäftstätigkeit für die GmbHs erstattete die Klägerin der K-GmbH monatlich Bericht.
Das FG teilte die Auffassung der Klägerin, die aktienrechtliche Vermutung rechtfertige eine Organschaft (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.11.2005, 14 K 79/04, Haufe-Index 1500863, EFG 2006, 1110).
Entscheidung
Die Revision hatte keinen Erfolg. Nicht ausreichend ist die – mit der finanziellen Eingliederung ohnehin zwangsläufig einhergehende – Möglichkeit der Weisung durch Gesellschafterbeschluss oder regelmäßige (im Besprechungsfall monatliche) Berichte über die Geschäftsführung, selbst wenn Letztere auf einer vertraglichen Pflicht zur Berichterstattung beruhen. Ob und inwieweit die organisatorische Eingliederung – ohne personelle Verflechtung der Geschäftsführungen – durch rein organisatorische Maßnahmen erfolgen könnte, hat der BFH bisher noch nicht entschieden. Ob man mit einer "Geschäftsführerordnung" oder Ähnlichem auf der "sicheren Seite" ist, ist jedenfalls zweifelhaft.
Hinweis
1.§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG definiert die umsatzsteuerrechtliche Organschaft eigenständig. Deshalb sind aktienrechtliche Vermutungen nicht entscheidungserheblich. Für die z.T. vertretene Annahme, dies gelte nur für die Vermutung nach § 17 AktG, nicht dagegen für die aktienrechtliche Vermutung in § 18 AktG ergibt sich umsatzsteuerrechtlich kein Anhaltspunkt.
2. Es reicht nicht aus, dass die – erforderliche – Eingliederung nur in Bezug auf zwei der drei im Gesetz genannten Merkmale besteht. Aus dem Vorliegen eines oder zweier Merkmale darf daher – das ist ständige Rechtsprechung – nicht auf das Vorliegen anderer Merkmale geschlossen werden.
3. Die organisatorische Eingliederung setzt voraus, dass die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft durch die Muttergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wirklich wahrgenommen wird und der Organträger die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschtoder aber zumindest durch die Gestaltung der Beziehungen zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft sichergestellt ist, dass eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung bei der Organtochter nicht stattfindet.
4. Die organisatorische Eingliederung geschieht in aller Regel durch die personelle Verflechtung der Geschäftsführungen. Erforderlich sind institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeiten in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 03.04.2008, V R 76/05