Leitsatz
* 1. Bestrittene Forderungen aufgrund einer Vertragsverletzung oder einer unerlaubten Handlung, auch solche einer GmbH gegenüber ihrem Geschäftsführer wegen pflichtwidrigen Verhaltens nach § 43 Abs. 1 GmbHG, können erst am Schluss desjenigen Wirtschaftsjahres angesetzt werden, in dem sie anerkannt oder in dem über sie rechtskräftig entschieden sind (Anschluss an Senatsurteil vom 26.4.1989, I R 147/84, BStBl II 1991, 213).
2. Sind die der Forderung zugrunde liegenden Handlung und die dadurch ausgelöste Vermögensminderung der GmbH als eine verdeckte Gewinnausschüttung zu beurteilen, handelt es sich bei der Ersatzforderung um eine Einlageforderung.
* Leitsätze nicht amtlich
Normenkette
§ 4 Abs. 1 Satz 1 EStG , § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG , § 43 Abs. 1 GmbHG
Sachverhalt
Bei den Klägerinnen handelte es sich um zwei Schwestergesellschaften, jeweils in der Rechtsform der GmbH mit demselben alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer.
Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von "außerordentlichem Aufwand" i.H.v. 2.635,74 DM (Klägerin zu 1) und i.H.v. 21.000 DM (Klägerin zu 2) unter Hinweis auf einen Gelddiebstahl. Nach Darlegung der Klägerinnen handelte es sich bei dem weiteren Betrag von 2.635,74 DM um den Kassenbestand der Klägerin zu 1 und bei dem Betrag von 21.000 DM um den Teilbetrag aus dem Barverkauf eines betrieblichen Fahrzeugs der Klägerin zu 2. Beide Bargeldbeträge waren nach Darlegung der Klägerinnen in einem betrieblichen Pkw der Klägerin zu 1 (der Marke Daimler Benz Typ 500 E) über ein Wochenende deponiert worden, weil es nicht mehr rechtzeitig während der Geschäftszeiten möglich gewesen sei, die Beträge zur Bank zu bringen. Lediglich ein weiterer Teilbetrag aus dem Fahrzeugverkauf i.H.v. 4.000 DM sei in die Betriebskasse der Klägerin zu 2 eingelegt worden. Der Pkw sei am 4.12.1994, einem Sonntag, gestohlen worden. In dem später sichergestellten Fahrzeug habe das Geld gefehlt.
Das FA sah die geltend gemachten Aufwandspositionen im Streitjahr 1994 als nichtabziehbar an.
Die Klagen gegen die hiernach ergangenen Steuerbescheide blieben erfolglos (DStRE 2003, 807 und EFG 2003, 640).
Entscheidung
Der BFH hob auf Revision der Klägerinnen die FG-Urteile auf und verwies die Sachen an das FG zurück.
Dessen Annahme, es fehle den Klägerinnen im Streitjahr überhaupt an Vermögensminderungen, weil diesen schließlich Ersatzansprüche gegen den Gesellschafter-Geschäftsführer nach § 43 GmbHG zustünden, die es zu aktivieren gelte, verwarf er: Die Forderungen seien erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem FG zur Sprache gekommen und vom Gesellschafter-Geschäftsführer sofort bestritten worden. Bestrittene Forderungen müssten aber, um aktiviert werden zu können, anerkannt sein oder rechtskräftig feststehen.
Die dargestellten Sachverhalte gäben allerdings Anlass zu Zweifeln, ob sie sich tatsächlich so abgespielt hätten wie geschildert. Sei Letzteres zu verneinen, dann lägen vGA vor.
Hinweis
Dem Urteil lag ein im Tatsächlichen auf den ersten (und wohl auch dem zweiten) Blick vielleicht doch recht fragwürdiger Sachverhalt zugrunde:
1. Der Gesellschafter-Geschäftsführer von zwei Schwester-GmbHs wollte beträchtliche Bargeldmengen über ein Wochenende in einem Fahrzeug "auf der Straße" aufbewahrt haben, wo es mitsamt dem Auto gestohlen worden sein soll. Das FA wollte den "fälligen" BA-Abzug nicht anerkennen, ohne aber so recht zu wissen, auf welcher Rechtsgrundlage.
2. Das FG verfiel auf einen "schlauen", arbeitserleichternden Gedanken, um der Suche nach dieser Rechtsgrundlage zu entgehen: Es verneinte das Vorliegen einer bilanziellen Vermögensminderung im betreffenden Streitjahr, weil der GmbH ein Ersatzanspruch gegen den fahrlässig agierenden Geschäftsführer nach § 43 Abs. 1 GmbHG zustehe und dieser zu aktivieren sei.
Nun wurde ein solcher Anspruch vom Geschäftsführer aber vehement bestritten, was den BFH veranlasste, das handelsbilanzielle Vorsichtsprinzip heranzuziehen: Eine bestrittene Forderung müsse schon anerkannt oder aber rechtskräftig festgestellt sein, solle sie angesetzt werden.
3. Fehlt es damit aber nicht an der Vermögensminderung, kann eine vGA vorliegen – nämlich dann, wenn man kraft richterlicher Überzeugung dem Geschäftsführer und seiner Sachverhaltsdarstellung nicht glaubt. Gegen diese Darstellung spricht manches. Würde sich dies bewahrheiten, ist eine vGA anzunehmen. Die bestrittene Forderung wäre eine Einlageforderung.
Folge: Es ist zweifelhaft, ob es auf die geschilderte Weise möglich ist, "Geldentnahmen" in BA umzumünzen. Das Gericht ist nicht gehalten, jeglicher "Geschichte", die ihm aufgetischt wird, Glauben zu schenken. Im Einzelnen muss das natürlich vom FG aufgeklärt werden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 17.9.2003, I R 91, 92/02