Leitsatz
1. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen sind u.a. zu aktivieren, wenn die für die Entstehung wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen gesetzt worden sind und der Kaufmann mit der künftigen rechtlichen Entstehung des Anspruchs fest rechnen kann.
2. Die Auslegung von Verträgen obliegt dem FG als Tatsacheninstanz und ist daher für das Revisionsgericht bindend, wenn sie den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB entspricht und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt.
Normenkette
§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG; § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, nahm die Aufgaben eines sog. Möbelverbunds wahr. Sie unterstützte diesem Verbund angeschlossene Möbel-(Handels-)häuser (sog. "Anschlusshäuser") bei deren Geschäftstätigkeit u.a. durch die Organisation eines gemeinsamen Einkaufs. Dabei arbeitete sie auch mit den Möbelherstellern mit dem Ziel zusammen, für die Anschlusshäuser günstige Konditionen für deren Wareneinkauf auszuhandeln. Diese Konditionen wurden in den zwischen der Klägerin und den Möbelherstellern und -lieferanten abgeschlossenen "Lieferantenverträgen" festgelegt. Die Vertragsabschlüsse über die Lieferung von Möbeln selbst kamen unmittelbar mit den Anschlusshäusern zustande. Die Hersteller stellten diesen die Waren in Rechnung. Allerdings übernahm die Klägerin über ihre Tochtergesellschaft (T) als sog. "Zentralregulierungsstelle" die Regulierung. Letztere erhielt dazu Zweitschriften der Rechnungen, die sie aufgrund eines Zahlungsziels von 20 bis 30 Tagen an die Möbelhersteller beglich.
Die Möbelhersteller verpflichteten sich ihrerseits, der Klägerin eine "Verbandsabgabe" in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der mit den Anschlusshäusern getätigten Umsätze (abzüglich Skonti) zu gewähren. Daneben war für die Rechnungsregulierung eine weitere umsatzabhängige Vergütung zu zahlen ("Zentralregulierungsgebühr"). Beide von den Möbelherstellern zu entrichtenden Vergütungen behielt die T vom jeweiligen Rechnungsbetrag ein. Mit der Klägerin rechnete die T 14-tägig ab und schrieb ihr die Verbandsabgabe gut. Daneben erhielt die Klägerin einen Anteil an der Zentralregulierungsgebühr.
Die Klägerin meinte, ihr Anspruch auf die "Verbandsabgabe" sei nicht schon im Zeitpunkt des jeweiligen Vertragsabschlusses bzw. der Lieferung der Möbelhersteller an die Anschlusshäuser zu aktivieren, vielmehr sei eine Gewinnrealisierung erst mit der späteren Regulierung durch die damit beauftragte T anzunehmen. Das FA vertrat hingegen die Auffassung, dass die Ansprüche auf die Verbandsabgabe jedenfalls mit der Lieferung der Waren durch die Hersteller an die Anschlusshäuser realisiert und somit zu aktivieren seien.
Die hiergegen erhobene Klage wies das FG ab (EFG 2004, 214).
Entscheidung
Der BFH hat dem FG beigepflichtet. Aufgrund der tatrichterlichen Feststellungen, zu denen auch die Auslegung der getroffenen Verträge gehöre, stellten die vom Lieferanten zu entrichtenden Provisionen Gegenleistungen für die Schaffung der Geschäftsbeziehungen dar.
Mit dem Abschluss des jeweiligen Kaufvertrags und der Vereinbarung des Leistungsentgelts, spätestens jedoch mit der Lieferung an die Anschlusshäuser sei daher auch der Provisionsanspruch der Klägerin wirtschaftlich verdient und somit realisiert.
Da die Frage der Realisierung einer Forderung insbesondere von der nach ihrer Fälligkeit zu trennen ist, stehe der Aktivierung der Bonusansprüche nicht die weitere Bestimmung des Lieferantenvertrags entgegen, wonach die Ansprüche auf die Verbandsabgabe "erst mit der Rechnungsregulierung entstehen". Das FG gehe zu Recht davon aus, dass diese Formulierung die Abrechnung und damit die Fälligkeit der Ansprüche betreffe.
Es sei auch nicht von einem einheitlichen "Leistungspaket" auszugehen mit der Folge, dass die Realisierung beider Entgeltsforderungen einheitlich erst mit der Rechnungsregulierung als letztem Leistungselement erfolgen würde, was zur Folge hätte, dass der Anspruch auf die Verbandsabgabe zuvor allenfalls als "unfertige Leistung" zu erfassen wäre.
Dieser Annahme stünden die Feststellungen des FG entgegen, wonach die weitere Leistung der Klägerin in Form der Regulierung der Rechnungen, die sie auf die T übertragen habe, von der eigentlichen Vermittlungsleistung zu trennen sei.
Hinweis
Die Kernaussage des Urteils ist bekannt und gehört sozusagen zum Allgemeingut. Sie ergibt sich aus dem 1. Leitsatz: Forderungen sind u.a. zu aktivieren, wenn die für die Entstehung wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen gesetzt worden sind und der Kaufmann mit der künftigen rechtlichen Entstehung des Anspruchs fest rechnen kann.
Diese Voraussetzungen sind gegeben, wenn der Leistungsverpflichtete die von ihm geschuldete Erfüllungshandlung erbracht, d.h. seine Verpflichtung "wirtschaftlich erfüllt" hat, so dass dem Schuldner der Gegenleistung die Einrede des nicht erfüllten Vertrags gem. § 320 BGB nicht mehr zusteht. Damit ist dem Leistenden der Anspruch auf die Gegenleistung (die Zahlung) so gut wie sicher. Sein Zahlungsrisiko reduziert sich darauf, das...