Bevor § 19 UStG durch die Richtlinie (EU) 2020/285 des Rates vom 18.2.2020 zum 1.1.2025 umfassend reformiert werden muss, möchte der Gesetzgeber mit dem Wachstumschancengesetz für Kleinunternehmer zum einen weitere bürokratische Erleichterungen schaffen und zum anderen die Option zur Regelbesteuerung und deren Widerruf einschränken.
a) Keine Abgabe einer Umsatzsteuer-Erklärung für das Kalenderjahr
§ 19 Abs. 1 Satz 4 UStG soll dahingehend ergänzt werden, dass Kleinunternehmer die Erklärungspflichten des § 18 Abs. 1 bis 4 UStG nicht zu erfüllen brauchen. Kleinunternehmer bräuchten demnach keine Umsatzsteuer-Erklärung für das Kalenderjahr mehr abzugeben. Anlass des Vorhabens ist der Nullsteuersatz des § 12 Abs. 3 UStG und die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 72 EStG bei den Ertragsteuern für Photovoltaik-Anlagenbetreiber. Nach der Begründung des Gesetzentwurfes haben die Unternehmer die Voraussetzungen für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung (vor allem die Umsatzgrenzen) selbst zu überwachen. Die Finanzverwaltung soll vorhandene Daten (z.B. aus einer EÜR) nutzen, um die Einhaltung der Grenzen zu überprüfen.
Bestehen bleiben soll weiterhin die Abgabepflicht nach § 18 Abs. 4a UStG. Hiernach haben Unternehmer Voranmeldungen für den betreffenden Zeitraum sowie eine Umsatzsteuer-Erklärung für das Kalenderjahr abzugeben, wenn sie Umsatzsteuer schulden
Die Abgabepflicht soll rückwirkend bereits für das Jahr 2023 entfallen.
b) Einschränkungen beim Wechsel zur Regelbesteuerung und zurück
§ 19 Abs. 2 UStG soll komplett neugefasst werden. Der Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung soll demnach nur noch bis zum Ablauf des zweiten, auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahres möglich sein. Bislang bildete die Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung die zeitliche Grenze. Wenn ein Kleinunternehmer bisher keine Umsatzsteuer-Erklärung abgegeben hatte, konnte er (theoretisch) bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung zur Regelbesteuerung optieren. Nach dem neuen § 19 Abs. 2 Satz 1 UStG-E müsste der Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung nun unabhängig von der Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung spätestens bis zum Ablauf des zweiten, auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahres erklärt werden. Dass es fortan nicht auf die Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung ankommt, dürfte mit der entfallenen Abgabepflicht für die Umsatzsteuer-Erklärung zu begründen sein.
Außerdem soll künftig der Verzicht nur mit Wirkung von Beginn des folgenden Kalenderjahres an widerrufen werden dürfen. Damit würde nach meiner Auffassung ein rückwirkender Widerruf ausgeschlossen. § 19 Abs. 2 Satz 3 UStG-E ist meines Erachtens dahin zu verstehen, dass der Widerruf nur noch für die Zukunft möglich sein soll, also von Beginn des dem Widerruf folgenden Kalenderjahres an. Der geplante Wegfall von § 19 Abs. 2 Satz 4 UStG weist auf die beabsichtigte Einschränkung hin. Ein Widerruf des Verzichts, also die Rückkehr zur Kleinunternehmerregelung, soll damit für bereits abgelaufene oder noch laufende Besteuerungszeiträume ausgeschlossen werden.
Die Neufassung des § 19 Abs. 2 UStG soll ebenfalls rückwirkend zum 1.1.2023 in Kraft treten. Für die in 2023 und bis zur Verkündung der Gesetzesänderung abgegebenen Verzichtserklärungen, die nach Ablauf des zweiten, auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahres abgegeben wurden, würde sich die Frage stellen, ob diese aufgrund der rückwirkenden Neufassung des § 19 Abs. 2 UStG abzulehnen wären.