Auswahl einiger wesentlicher aktueller Entwicklungen und Fragestellungen
[Ohne Titel]
Dipl.-Finw. Marcus Rösen, StB, M.A. Taxation
Die Gewerbesteuer und ihre Regelungen sind seit vielen Jahren immer wieder Gegenstand von Diskussionen. Auch die Rechtsprechung hatte in der jüngsten Vergangenheit vermehrt Gelegenheit, sich mit gewerbesteuerlichen Fragestellungen auseinander zu setzen. Dieser Beitrag soll einen Überblick über einige der wesentlichen aktuellen Entwicklungen und Fragestellungen geben.
I. Bedeutung der Gewerbesteuer
1. Wichtige nationale Einnahmequelle
Die Gewerbesteuer (GewSt)
- gehört zu den ertragreichsten Steuern Deutschlands und
- ist – bundesweit gesehen – die wichtigste Einnahmequelle der Kommunen.
Im Jahr 2021 haben die Gemeinden in Deutschland rund 61,1 Mrd. EUR an Einnahmen aus der GewSt erzielt. Sie nimmt daher einen besonderen Stellenwert in unserem Besteuerungssystem ein.
2. Deutsche GewSt als Exot im internationalen Vergleich
Auch im internationalen Vergleich kann die deutsche GewSt als Exot bezeichnet werden. Viele andere Staaten erheben keine GewSt oder nur eine bedingt vergleichbare Objektsteuer. So handelt es sich i.R.d. internationalen Steuerplanung von ausländischen Unternehmen oft um eine Steuer, die als außerordentliche "Mehrbelastung" wahrgenommen wird.
3. Eine der umstrittensten Steuern Deutschlands
Zeitgleich ist die GewSt mithin eine der umstrittensten Steuern Deutschlands. In der Vergangenheit wurden immer wieder verfassungsrechtliche Bedenken geäußert – insbesondere, da die freien Berufe nicht der GewSt unterliegen. In diesem Zusammenhang hatte z.B. das Niedersächsische FG mit Beschluss vom 21.4.2004 dem BVerfG zum dritten Mal die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die Vorschriften des GewStG über die Gewerbeertragsteuer verfassungswidrig sind. Die auf rund 60 Seiten begründete Vorlage wurde schließlich vom BVerfG damit beantwortet, dass die GewSt verfassungsrechtlich gerechtfertigt sei.
4. Die GewSt in der Kritik
Das GewStG aus dem Jahr 1936 ist Grundlage für die heutige GewSt. Natürlich gab es innerhalb des letzten knappen Jahrhunderts immer wieder Anpassungen. Allerdings sieht die Steuer sich immer wieder der Kritik ausgesetzt.
Kritikpunkte und Forderungen des DStV: So sieht der DStV Reformbedarf und fordert Änderungen bei der GewSt, die in der aktuellen Krise auch die Eigenkapitalbasis der Unternehmen in Gefahr bringe. Neben der zusätzlichen Steuerbelastung verursache die Steuer einen hohen bürokratischen Aufwand. Weiterhin bemängelt der DStV
- das komplexe Hinzurechnungsmodell,
- die nur teilweise ertragsteuerliche Anrechenbarkeit und
- die begrenzten Verlustnutzungsmöglichkeiten.
Weitere angedachte Neuerungen und Besonderheiten: Zusätzlich zu den Forderungen nach einer Reform des GewStG sowie nach einer Neustrukturierung der kommunalen Finanzsituation bieten auch Rechtsprechung, Literatur und tägliche Beratungspraxis Neuerungen und Besonderheiten, von denen einige im Folgenden dargestellt und analysiert werden sollen.
II. Der Steuergegenstand
Die GewSt ist eine Gewerbeertragsteuer, die auf die objektive Ertragskraft eines Gewerbebetriebes erhoben wird. Von der Besteuerung erfasst wird gem. § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird.
1. Definition des Gewerbebetriebs
In § 2 Abs. 1 S. 2 GewStG wird der Gewerbebetrieb als gewerbliches Unternehmen i.S.d. EStG definiert. Das Gesetz enthält somit keine eigene Definition, sondern bedient sich der Regelungen des EStG, speziell der Abgrenzungen i.R.d. § 15 EStG.
a) Gewerbebetrieb kraft Betätigung
Eine originäre gewerbliche Tätigkeit liegt nach Maßgabe des § 15 Abs. 2 S. 1 EStG dann vor, wenn es sich um eine selbständige nachhaltige Betätigung handelt, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird, sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und die weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs oder einer selbständigen Arbeit anzusehen ist.
Ausnahmen/Sonderfälle: Zu beachten ist allerdings, dass nicht pauschal alle Konstellationen, in denen Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S.d. EStG vorliegen, auch der GewSt zu unterwerfen sind. So kann z.B. eine Personengesellschaft, die nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG als gewerblich geprägte Personengesellschaft anzusehen ist, unter Umständen auch nicht der GewSt unterliegen. Des Weiteren gibt es auch Sonderfälle – wie die Betriebsverpachtung oder Einkünfte aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften i.S.d. § 17 EStG –, die nicht der GewSt unterliegen.
b) Fiktion von Rechtsformen als Gewerbebetrieb
Ergänzend zu den Gewerbebetrieben kraft Betätigung fingiert das GewS...