a) Verfassungsmäßigkeit der Höhe von Säumniszuschlägen
Die Höhe der Säumniszuschläge begegnet jedenfalls für VZ bis einschließlich 2018 keinen erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken, soweit mit der Norm des § 240 AO auch Zinsvorteile des Steuerpflichtigen ausgeglichen werden sollen.
FG Münster v. 12.10.2021 – 12 V 901/20 AO, rkr.
b) Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe von ab 2019 entstandenen Säumniszuschlägen
Die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlich festgelegten Höhe der Säumniszuschläge (§ 240 Abs. 1 S. 1 AO) erscheint – vor dem Hintergrund der Entscheidung des BVerfG v. 8.7.2021 – 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17 GmbHR 2021, 995 = GmbH-StB 2021, 272 [zur Verfassungswidrigkeit der Verzinsungsregelung und zu deren Unanwendbarkeit für Verzinsungszeiträume ab 2019 sowie zur eigenständigen verfassungsrechtlichen Wertung anderer Verzinsungstatbestände nach der AO] – zweifelhaft.
FG Münster v. 16.12.2021 – 12 V 2684/21 AO, Beschwerde eingelegt, Az. des BFH: II B 3/22
c) Verfassungswidrigkeit der ab 2019 verwirkten Säumniszuschläge
Es bestehen ernstliche Zweifel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit verwirkter Säumniszuschläge, soweit sie nach dem 31.12.2018 entstanden sind, weil insoweit die Höhe des darin enthaltenen Zinsanteils zweifelhaft ist.
An der Rechtmäßigkeit der vor dem 1.1.2019 verwirkten Säumniszuschläge bestehen keine verfassungsrechtlichen Zweifel.
FG Münster v. 11.1.2022 – 12 V 1805/21, Beschwerde zugelassen, Az. des BFH: V B 4/22
d) Hilfeleistung in Steuersachen: UG (haftungsbeschränkt) als Buchhaltungsgesellschaft
Ist eine Buchhaltungsgesellschaft, welche Lohnsteueranmeldungen nach § 6 Nr. 4 StBerG durchführt, berechtigt, einen Antrag auf Erlass eines Verspätungszuschlags zur Lohnsteueranmeldung zu stellen?
Das FG entschied, dass eine Lohnbuchhaltungsgesellschaft (hier: UG haftungsbeschränkt) generell nicht berechtigt ist, einen Antrag auf Erlass eines Verspätungszuschlags infolge einer verspätet eingereichten Lohnsteueranmeldung zu stellen; das gilt unabhängig von der Höhe des Verspätungszuschlags und der rechtlichen Schwierigkeit des Erlassantrags.
Tätigkeiten, die im inhaltlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einer Lohnsteueranmeldung gelegentlich anfallen können – wie die Stellung eines Erlassantrages – sind nicht kraft Sachzusammenhangs als bloße Nebentätigkeit gem. § 6 Nr. 4 StBerG erlaubt. Auch eine analoge Anwendung des § 6 Nr. 4 StBerG auf einfach gelagerte Tätigkeiten, die gelegentlich im Zusammenhang mit Lohnsteueranmeldungen einhergehen, ist nicht geboten, da es insoweit an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt (FG Baden-Württemberg v. 30.10.2019 – 4 K 1715/18, EFG 2020, 571).
Thür. FG v. 20.5.2021 – 3 K 266/20, Rev. eingelegt, Az. des BFH: VII R 22/21
e) Datenschutzrechtlicher Auskunftsanspruch gegenüber dem FA
Der Steuerpflichtige hat gegenüber dem Finanzamt einen Anspruch auf Auskunft nach Art. 15 DSGVO. Er richtet sich auf Überlassung einer Kopie der in Datenbanken gespeicherten Daten, gewährt aber keinen Anspruch auf Akteneinsicht. Hinsichtlich einzelner Datenbereiche ist die Auskunft nach §§ 32a-32c AO beschränkt.
FG München v. 4.11.2021 – 15 K 118/20
f) Beteiligung einer Gemeinde an einer GmbH: Vermögensverwaltung oder BgA
Grundsatz: Die Beteiligung einer Gemeinde an einer GmbH ist der nicht steuerbaren Vermögensverwaltung zuzurechnen.
In Ausnahmefällen, wenn die Gemeinde über ihre Beteiligung planmäßig Unternehmenspolitik betreibt oder in anderer Weise entscheidenden Einfluss auf die Geschäftsführung der GmbH ausgeübt und damit unmittelbar selbst am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt, liegt ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vor.
Eine eigene Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr durch die Gemeinde liegt nicht bereits dann vor, wenn sie wesentliche Entscheidungen trifft und Rahmenvorgaben setzt, ohne die laufende Geschäftsführung der GmbH zu bestimmen. Eine Beteiligung ist nur dann als gewerbliche Tätigkeit anzusehen, wenn die Gemeinde eine einem faktischen GF vergleichbare Stellung bei der GmbH ausübt.
Die Ausübung hoheitlicher Aufgaben erfordert neben der Kostentragungsverpflichtung weitergehende Mitwirkungs- und Gestaltungsrechte, die bei der Gesamtbeurteilung der Einflussnahme auf die Geschäftsführung der GmbH außer Acht zu lassen sind.
Hess. FG v. 2.12.2021 – 4 K 890/19
g) Versäumnis der Klagefrist: Beweiskraft der Postzustellungsurkunde
Ein Rechtsanwalt ist verpflichtet, Umschläge über ihm förmlich zugestellte Schriftstücke systematisch zur Kenntnis zu nehmen, aufzubewahren und zur Handakte zu nehmen.
FG Rheinland-Pfalz v. 7.5.2021 – 4 K 1932/20, NZB zurückgewiesen, Az. des BFH: IX B 48/21
Beraterhinweis Es gehört zu den (nicht delegierbaren) Aufgaben des Rechtsanwalts, bei der Bearbeitung der Sache den Ablauf der Klagefrist zu prüfen. Dabei darf ein Prozessbevollmächtigter sich nicht auf den Eingangsstempel seiner Kanzlei verlassen, sondern hat zu prüfen, ob das dort angegebene Datum mit dem vom Zusteller auf dem Zustellungsumschlag eingetragenen Zustellungsdatum übereinstimmt.