a) Säumniszuschläge ab 2019 ernstlich zweifelhaft
Es ist ernstlich zweifelhaft, ob nach dem 31.12.2018 verwirkte Säumniszuschläge verfassungsgemäß sind.
FG Münster v. 25.4.2022 – 12 V 570/22 AO, Beschwerde eingelegt, Az. des BFH: VIII B 64/22
Beraterhinweis Aktuell entschied der BFH v. 23.5.2022 – V B 4/22 AdV (DB 2022, 1812) ebenfalls, dass bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von Säumniszuschlägen bestehen, soweit diese nach dem 31.12.2018 entstanden.
b) SchenkSt: Verkauf von GmbH-Anteilen an die GmbH durch Mitglieder einer Erbengemeinschaft
Rechtsfragen:
- Handelt es sich bei dem Verkauf von dem in Erbengemeinschaft erworbenen Geschäftsanteil an einer GmbH an dieselbige um eine Schenkung an die an der GmbH über eine GmbH & Co. KG mittelbar beteiligten Kommanditisten i.S.d. § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG?
- Sind die §§ 13a und 13b ErbStG – entgegen dem Gesetzeswortlaut des § 13b ErbStG, welcher eine Werterhöhung eines Gesellschaftsanteils nicht erfasst, für den Fall, dass ein Geschäftsanteil selbst Gegenstand der Leistung ist – auch auf die Fälle des § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG anzuwenden?
Das FG entschied: Erbt eine Erbengemeinschaft einen Geschäftsanteil an einer GmbH, an der einzelne Miterben bereits mittelbar über eine GmbH & Co. KG beteiligt sind, und verkaufen die zuvor nicht an der GmbH beteiligten Miterben ihre anteilig geerbten Geschäftsanteile zu einem unter dem tatsächlichen Wert liegenden Kaufpreis an die GmbH, werden dadurch Schenkungen i.S.d. § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG an die an der GmbH bereits vor dem Erbfall mittelbar beteiligten Gesellschafter vorgenommen.
Die Bereicherung in Form der Werterhöhung der GmbH-Anteile der zuvor bereits mittelbar beteiligten Gesellschafter ist nicht nach § 13a ErbStG steuerfrei. Die Werterhöhung der mittelbaren Beteiligungen ist nicht begünstigtes Vermögen i.S.d. § 13b ErbStG – insbesondere ist § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG nicht einschlägig.
Da sich die gesetzliche Fiktion des § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nur auf die Vermögensmehrung ohne Veränderung des Vermögensbestandes als Ergebnis einer Vermögensbewegung zwischen Zuwendendem und Gesellschaft, nicht hingegen auf die sonstigen Merkmale der schenkungsteuerlichen Zuwendung bezieht, ist unter "Leistung"
- nur eine rechtsgeschäftliche oder tatsächliche Handlung zu verstehen,
- die beim Leistenden eine entreichernde – nicht durch eine Gegenleistung ausgeglichene – Vermögenshingabe bewirkt.
In subjektiver Hinsicht ist angesichts der Beschränkung der gesetzlichen Fiktion auf einzelne Merkmale des steuerlichen Zuwendungstatbestandes zu verlangen, dass die "Leistung" in dem Bewusstsein erbracht wird, dadurch den Wert des Geschäftsanteils zu erhöhen, ohne dafür von dem auf diese Weise Begünstigten einen äquivalenten Ausgleich zu erhalten.
§ 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG verdrängt als speziellerer Schenkungstatbestand den Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.
Sächs. FG v. 6.5.2021 – 8 K 31/21, Rev. eingelegt, Az. des BFH: II R 23/21
c) Erbschaftsteuerliche Bewertung eines GmbH-Anteils
Sieht ein aus dem Jahr 1989 stammender Gesellschaftsvertrag für den im Jahr 2017 eingetretenen Fall der Abtretung des GmbH-Anteils eines weichenden Erben einen Abfindungsanspruch in Höhe des realen Werts nach Maßgabe der jeweils gültigen Fassung der steuerrechtlichen Bewertungsrichtlinien vor und verweist hierzu in einem Klammerzusatz auf die sog. Anteilsbewertung nach dem Stuttgarter Verfahren, ergibt sich auf der Grundlage der gebotenen Auslegung hieraus kein den gemeinen Anteilswert unterschreitender gesellschaftsvertraglich festgelegter Abfindungsanspruch i.S.d. § 10 Abs. 10 S. 2 ErbStG.
Der konkretisierenden Bezugnahme auf das seinerzeit noch anwendbare Stuttgarter Verfahren kann im Gesamtkontext nicht das Regelungsziel entnommen werden, zur Schonung des Betriebsvermögens bzw. der betrieblichen Liquidität eine Abfindung unter dem gemeinen Wert zu regeln.
FG Düsseldorf v. 10.3.2021 – 4 K 741/20 Erb, rkr.
d) Klageerhebung per E-Mail
Eine per E-Mail erhobene Klage genügt den Anforderungen des § 64 Abs. 1 FGO nicht. Die Klageerhebung mit einfacher E-Mail genügt auch nicht den Anforderungen des § 52a Abs. 3 FGO oder § 52a Abs. 4 FGO und führt zu einer unzulässigen Klage.
FG München v. 3.11.2021 – 12 K 1758/21
e) Fortführung des Einspruchsverfahrens nach Änderung des angefochtenen Bescheids
Rechtsfrage: Hängt die rechtsschutzgewährende Auslegung des Einspruchs einer vollbeendeten Personengesellschaft bei fehlerhafter Adressierung des angefochtenen Bescheids an diese auch dann davon ab, dass die Vollbeendigung dem FA bekannt war, wenn Einspruch namens der vollbeendeten Personengesellschaft von deren Komplementärin, die zugleich als Gesamtrechtsnachfolgerin kraft Anwachsung Schuldnerin der Betriebssteuer geworden ist, eingelegt wurde?
Das FG entschied, dass die Fortführung des Einspruchsverfahrens gegen den neuen Verwaltungsakt gem. § 365 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 AO voraussetzt, dass
- die Adressaten und
- der Besteuerungsgegenstand
des unwirksamen und des ersetzenden Verwaltungsaktes identisch sind. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn ein an eine vollbeendete Gesellschaft gerichteter – und daher nichtiger – Bescheid durch einen an die Gesamtrechtsnachfolgerin jener Gesellschaft gerichteten Bescheid ersetzt wird.
FG München v....