a) Anteilsbewertung: Hinzurechnung von Rückstellungen für eine Kartellbuße
Eine Kartellbuße ist dem Betriebsergebnis für Zwecke des vereinfachten Ertragswertverfahrens als außerordentliche Aufwendung hinzuzurechnen
FG Münster v. 24.5.2023 – 3 K 383/21 F, Rev. eingelegt, Az. des BFH: II R 17/23
b) Wiedereinsetzung in eine versäumte Einspruchsfrist
Steuerberater S wollte gegen einen – nach einer BP geänderten – KSt-Bescheid Einspruch einlegen. Das vorbereitete Einspruchsschreiben ist versehentlich nicht an das FA versandt worden. Als das Versehen drei Monate später auffiel, legte S Einspruch ein und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund unverschuldeter Fristversäumnis.
Das FG hat – wie das FA – keine Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist gewährt:
Wird – wie im Streitfall – ein dem Bevollmächtigten und dem von ihm Vertretenen nicht zuzurechnendes reines Büroversehen geltend gemacht, gehört zum erforderlichen schlüssigen Vortrag des "Kerns" der Wiedereinsetzungsgründe die Darlegung, warum ein Organisationsverschulden auszuschließen ist.
Etwaige Büroversehen können sich nicht mehr auswirken, sobald der Vorgang an den Bearbeiter der Sache (Rechtsanwalt, Steuerberater) vorgelegt worden ist und die formelle und/oder materielle Bearbeitung der Sache begonnen hat und andauert.
Der Steuerpflichtige kann sich nur dann auf ein unverschuldetes Büroversehen berufen, wenn aufgrund seiner Organisation gewährleistet ist, dass unter gewöhnlichen Umständen fristgebundene Schriftsätze tatsächlich das Büro verlassen.
Eine stillschweigende Gewährung von Wiedereinsetzung setzt voraus, dass sich die Behörde über die Gewährung einer Wiedereinsetzung im Klaren war oder dass zumindest ein verständiger Antragsteller nach den Gesamtumständen auf eine entsprechende Entscheidung in der Wiedereinsetzungsfrage schließen kann und darf.
FG München v. 22.11.2021 – 7 K 1778/20, NZB als unbegründet zurückgewiesen (BFH v. 5.4.2023 – I B 98/21)
c) Ermittlungspflichtverletzung des FA i.R.d. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO
Streitig ist, ob bestandskräftige Bescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu Lasten des Steuerpflichtigen geändert werden durften.
Verzichtet das FA gegenüber dem Steuerpflichtigen ausdrücklich auf die Abgabe einer förmlichen Erklärung und fordert ihn stattdessen zu bestimmten Angaben auf, verletzt es seine Ermittlungspflicht, wenn die geforderten Angaben für die Ermittlung des für die Steuerfestsetzung maßgebenden Sachverhalts nicht ausreichen und es auch später vor Erlass des Bescheids keine weiteren Fragen stellt.
Erfüllt der Stpfl. in einem solchen Fall seinerseits seine Mitwirkungspflichten, indem er die vom FA gestellten Fragen zutreffend und vollständig beantwortet, ist das FA nach Treu und Glauben an einer Änderung der bestandskräftigen Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gehindert, wenn es später Kenntnis von steuerbegründenden Tatsachen erlangt.
Der Stpfl. ist nicht verpflichtet, auf der Grundlage der maßgebenden steuerrechtlichen Vorschriften zu prüfen, ob die vom FA erbetenen Angaben eine zutreffende Steuerfestsetzung ermöglichen oder ob dazu weitere Angaben erforderlich wären.
FG Köln v. 23.2.2023 – 15 K 1409/22, rkr.
d) Bayerisches GrStG: Verfassungsmäßigkeit der Ermittlung der Grundsteuer auf der Grundlage eines reinen Flächenmodells
Bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung ist das System der Ermittlung der Grundsteuer auf der Grundlage eines reinen Flächenmodells – wie es das Bayerische Grundsteuergesetz vom 10.12.2021 vorsieht – vor dem Hintergrund des erheblichen Bewertungsspielraums des Gesetzgebers nicht zu beanstanden.
FG Nürnberg v. 8.8.2023 – 8 V 300/23
e) gGmbH: Wegfall der Vermögensbindung für einen begrenzten Zeitraum
Streitig ist, ob die in einem begrenzten Zeitraum (17.8.2012 bis 19.12.2013) fehlende (ausdrückliche) Satzungsregelung zur Vermögensbindung gem. § 61 Abs. 3 AO zu einer rückwirkenden Aberkennung der Gemeinnützigkeit und damit zu einem Wegfall der Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG für die Vorjahre 2005-2008 führen kann. Das FG entschied:
Der Grundsatz der Vermögensbindung soll verhindern, dass Vermögen, das die gGmbH aufgrund der steuerbegünstigten Tätigkeit erworben hat, für nicht steuerbegünstigte Zwecke verwendet wird.
Eine steuerlich ausreichende Vermögensbindung liegt vor, wenn der Zweck, für den das Vermögen bei Auflösung oder Aufhebung der gGmbH oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks verwendet werden soll, in der Satzung so genau bestimmt ist, dass aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob der Verwendungszweck steuerbegünstigt ist. Die Prüfung des Zwecks muss ausschließlich aufgrund einer konkreten Bestimmung in einer wirksamen Satzung möglich sein.
Auslegung? Ist der Wegfall des bisherigen Zwecks als Voraussetzung des Vermögensanfalls überhaupt nicht erwähnt, ist eine Auslegung der Satzung in der Weise, dass die Regelung zu einer anderen Art des Vermögensanfalls auf den Wegfall des bisherigen Zwecks zu übertragen ist, nicht möglich.
Die rückwirkende Aberkennung der Gemeinnützigkeit im Falle einer Änderung bzw. Aufhebung und Neufassung der Satzung, die dem Grundsatz der Vermögensbindung nicht (mehr) entspricht, verstößt als solche nicht gegen das Übermaßverbot.
FG Sachsen-Anhalt v. 19.4.2023 – 3 K 475/16, NZB eingelegt, Az. des BFH: V B 33/23
f) Festsetzung von Verspätungszuschlägen: Ausübung des Ermessens
Im Falle der Herabsetzung der festgesetzten Steuer, auf die sich der Verspätungszuschlag...