a) Betriebsaufspaltung
Im Falle einer Betriebsaufspaltung kann eine Betriebsunterbrechung bei der vormaligen Besitzgesellschaft auch dann vorliegen, wenn die Betriebsgesellschaft die werbende Geschäftstätigkeit endgültig eingestellt hat, denn daraus ergibt sich nicht eindeutig, dass auch die Besitzgesellschaft ihren Gewerbebetrieb endgültig aufgegeben hat.
Die Beurteilung, ob der Gewerbebetrieb endgültig aufgegeben ist, hängt letztlich von der Absicht des Steuerpflichtigen ab. Aus Nachweisgründen ist von der Fortsetzungsabsicht auszugehen, solange die Fortsetzung objektiv möglich ist und eine eindeutige Aufgabeerklärung nicht abgegeben wird.
FG Münster v. 9.11.2022 – 9 K 933/20 F
b) "Sinnlose" Erklärung kann in Einspruch umgedeutet werden
Wird gegenüber dem FA eine Stellungnahme zu einer streitigen Frage abgegeben, die nicht als Einspruch ausgelegt werden kann, kommt gleichwohl nach dem Rechtsgedanken des § 140 BGB eine Umdeutung in einen Einspruch in Betracht.
FG Münster v. 12.1.2023 – 8 K 1080/21, Rev. eingelegt, Az. des BFH: VII R 7/23
c) Voraussetzungen für Härtefallregelung nach § 150 Abs. 8 AO
Die Voraussetzungen für eine Härtefallregelung nach § 150 Abs. 8 AO (Verzicht auf die Übermittlung der Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenen Datensatz durch Datenfernübertragung) liegen nicht vor, wenn die Klägerin – eine Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer UG – selbst keinen Internetanschluss und auch keinen Computer besitzt, aber ihr Gesellschafter-GF bzw. Liquidator darüber verfügt. Sie kann sich nicht darauf berufen, dass ihr GF nicht verpflichtet sei, die bei ihm vorhandenen Voraussetzungen für eine Datenfernübertragung zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten der Klägerin zu verwenden.
FG München v. 25.1.2021 – 7 K 2456/19 U
d) Rückwirkende Anwendung der durch ErbStAnpG 2016 geänderten Regelungen der §§ 13a, 13b ErbStG ab dem 1.7.2016 nicht verfassungswidrig
Streitig ist, ob die im ErbStAnpG 2016 vorgesehene rückwirkende Anwendung verfassungswidrig ist. Das FG München entschied:
Ab dem 1.7.2016 ist bei der ErbSt keine Steuerpause unter dem Gesichtspunkt eingetreten, dass es der Gesetzgeber nicht geschafft hat, das ErbStAnpG 2016 rechtzeitig zu verabschieden. Die im ErbStAnpG 2016 angeordnete echte Rückwirkung in Bezug auf die neugefassten, verschärften Regelungen zum Übergang von Betriebsvermögen in § 37 Abs. 12 S. 1 ErbStG 2016 verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot.
Bereits der Gesetzesbeschluss des Bundestages vom 24.6.2016 hat zu einer Zerstörung des Vertrauens auf das Fortbestehen der alten Rechtslage geführt. Allen Steuerpflichtigen musste seit dem 24.6.2016 klar sein, dass es Ziel des Gesetzgebers war, das ErbStAnpG 2016 zum 1.7.2016 einzuführen.
Die im Urteil des BVerfG v. 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, GmbHR 2015, 88 = GmbH-StB 2015, 26 (Schwetlik) enthaltene Fortgeltungsanordnung ist in dem Sinne auszulegen, dass das verfassungswidrige ErbStG 2009 über den 30.6.2016 hinaus bis zu einer tatsächlichen Neuregelung anzuwenden ist (Anschluss an BFH v. 6.5.2021 – II R 1/19, ErbStB 2021, 353 = BStBl. II 2022, 77; gegen FG Berlin-Bdb. v. 19.5.2021 – 14 K 14008/19, ErbStB 2021, 274 [Günther] = EFG 2021, 1486).
Der Gesetzgeber war nicht verpflichtet, für die Zeit vom 1.7.2016 bis zur Verkündung des ErbStAnpG 2016 ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen dahingehend zu ermöglichen, dass er entscheiden können sollte, ob seine Steuerfestsetzung nach dem alten oder nach dem neuen Recht zu erfolgen hat.
FG München v. 8.2.2023 – 4 K 2771/21, Rev. eingelegt, Az. des BFH: II R 7/23
e) Auskunftsgebühr bei Erteilung mehrerer inhaltsgleicher verbindlicher Auskünfte
Bei der Erteilung acht inhaltsgleicher verbindlicher Auskünfte wegen einer mehrstufigen Umstrukturierungsmaßnahme liegt eine einheitliche Auskunftserteilung vor, für die ein gemeinsamer Gebührenbescheid zu erlassen ist.
FG Münster v. 6.2.2023 – 6 K 1330/20 AO, Rev. eingelegt, Az. des BFH: IV R 6/23
Beraterhinweis Folge des gemeinsamen Gebührenbescheids ist, dass insgesamt eine geringere Gebühr entsteht.
f) Verfassungsmäßigkeit von Nachzahlungszinsen
Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Aussetzungszinsen für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2019 in der gesetzlich vorgeschriebenen Höhe von 0,5 % pro Monat – auch in Anbetracht der Entscheidung des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit von Nachzahlungszinsen (BVerfG v. 8.7.2021 – 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17 – GmbHR 2021, 995 = GmbH-StB 2021, 272 [Brinkmeier]).
Die Ungleichbehandlung von Nachzahlungszinsen nach § 233a AO und Aussetzungszinsen ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt (Anschluss an FG München v. 7.9.2022 – 15 K 358/22, GmbH-StB 2023, 121 [Brinkmeier]).
FG Düsseldorf v. 24.1.2023 – 12 V 1597/22 AAO, rkr.
g) GrESt: Zurechnung der erforderlichen Vorbehaltensfrist (§ 6a GrEStG) bei Gesamtrechtsnachfolge nach Aufspaltung einer KG
Streitig ist, ob die für Zwecke der Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG erforderliche Vorbesitzzeit bei Aufspaltung einer KG der Gesellschafterin im Wege der Gesamtrechtsnachfolge zugerechnet wird. Das FG entschied:
Gesamtrechtsnachfolge nicht schädlich: Die Gesamtrechtsnachfolge wirkt im Zusammenhang mit dem Befreiungstatbestand gem. § 6a GrEStG – anders als die Vor- und Nachbehaltensfristen i.R.d. §§ 5 und 6 GrEStG – nicht begünstigungsschädlich und schließt die Zurechnung der Vorbesitzzeit i.S.d. § 6a S. 4 GrEStG des Rechtsvorgängers des Steuerpflichtigen nicht aus.
Vorbesitzzeit kein "höchstpersönlicher Umstand": Erwirbt ein Steuerpflichtiger im We...