a) 10%ige Beteiligungsschwelle (§ 8b Abs. 4 KStG) durch mehrere unterjährige Erwerbsvorgänge
Die Rechtsfolge des § 8b Abs. 4 S. 6 KStG tritt bereits dann ein, wenn zu irgendeinem Zeitpunkt im Laufe des Kalenderjahrs eine Beteiligungshöhe von mindestens 10 % erreicht wurde. Der teleologisch zu reduzierende Gesetzeswortlaut des § 8b Abs. 4 KStG ist unter Berücksichtigung des Charakters der Norm als systemwidrige Ausnahmevorschrift dahingehend auszulegen, dass die 10%ige Beteiligungsschwelle auch durch mehrere unterjährige Erwerbsvorgänge erreicht werden kann.
FG Hess. v. 15.3.2021 – 6 K 1163/17, rkr.
b) Europarechtliche Zweifel an den Voraussetzungen für die KapErtrSt- Erstattung bei "Streubesitzdividenden"
Das FG Köln hat dem EuGH Fragen zur europarechtlichen Vereinbarkeit der in § 32 Abs. 5 KStG aufgestellten Anforderungen für die Erstattung von KapErtrSt bei "Streubesitzdividenden" vorgelegt.
Die Klägerin ist eine in Großbritannien ansässige Kapitalgesellschaft, die zu weniger als 6 % an einer deutschen Tochter-GmbH beteiligt war. 100%iger Anteilseigner der Klägerin war eine börsennotierte ausländische Kapitalgesellschaft. Die Klägerin hatte von ihrer Tochtergesellschaft Gewinnausschüttungen erhalten, für die KapErtrSt und SolZ einbehalten und abgeführt wurden. Das BZSt gewährte der Klägerin nur eine anteilige Erstattung der KapErtrSt gem. § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. dem einschlägigen DBA. Die darüber hinausgehende Erstattung der KapErtrSt lehnte es mit der Begründung ab, dass die Klägerin die hierfür gem. § 32 Abs. 5 KStG erforderlichen Nachweise nicht erbracht habe:
- § 32 Abs. 5 S. 2 Nr. 5 KStG setzt für die weitergehende Erstattung der KapErtrSt u.a. voraus, dass die Steuer nicht beim Gläubiger oder einem unmittelbar oder mittelbar am Gläubiger beteiligten Anteilseigner angerechnet oder als BA/WK abgezogen werden kann; die Möglichkeit eines Anrechnungsvortrags steht der Anrechnung gleich.
- Nach § 32 Abs. 5 S. 5 KStG muss die ausländische Steuerbehörde zudem bescheinigen, dass die deutsche KapErtrSt nicht angerechnet, nicht abgezogen oder nicht vorgetragen werden kann und inwieweit eine Anrechnung, ein Abzug oder Vortrag auch tatsächlich nicht erfolgt ist.
Vereinbarkeit mit Europarecht? Das FG Köln bezweifelt, ob die in § 32 Abs. 5 S. 2 Nr. 5 und S. 5 KStG aufgestellten Anforderungen vereinbar sind mit
- dem Grundsatz der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 Abs. 1, 65 AEUV,
- dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie
- dem Prinzip des "effet utile" (praktische Wirksamkeit von Europarecht).
FG Köln v. 20.5.2020 – 2 K 283/16, Az. des EuGH: C-572/20
c) Tauglichkeit als Organgesellschaft bei Bestehen einer atypisch stillen Beteiligung an Tochterkapitalgesellschaft
KSt: Eine Tochterkapitalgesellschaft, an der eine atypisch stille Beteiligung besteht, ist keine taugliche Organgesellschaft im Rahmen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft, da sie aufgrund der Gewinnbeteiligung der atypisch still beteiligten Gesellschafter nicht ihren "ganzen Gewinn" i.S.d. § 14 Abs. 1 KStG an den Organträger abführen kann (Anschluss an BMF v. 20.8.2015 – IV C 2 - S 2770/12/10001, GmbHR 2015, 1064 = GmbH-StB 2015, 317 (Weiss) = BStBl. I 2015, 649). Dies gilt auch, wenn außerhalb der Organschaft stehende Personen am Gewinn der Organgesellschaft als atypisch stille Gesellschafter beteiligt sind.
GewSt: Eine solche Tochterkapitalgesellschaft kann auch gewerbesteuerrechtlich keine Organgesellschaft sein, weil der Gewerbeertrag bei der atypisch stillen Gesellschaft zu erfassen ist und daher nicht dem Organträger zugerechnet werden kann.
Folge: Nach § 8b Abs. 1 S. 2 KStG i.d.F. des JStG 2007 ist die Gewinnabführung aufgrund einer "verunglückten Organschaft" steuerrechtlich als vGA zu behandeln.
FG Düsseldorf v. 12.4.2021 – 6 K 2616/17 F, Rev. eingelegt, Az. des BFH: I R 17/21
d) Abstandnahme vom KapErtrSt-Abzug: Erteilung einer Dauerüberzahlerbescheinigung
Die bei einer Führungs- und Funktionsholding gegebene Dauerüberzahlungssituation beruht auf der Art ihrer Geschäfte, sofern der Unternehmensgegenstand allein im Halten von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften besteht – die Einkünfte also fast ausschließlich aus steuerfreien, aber kapitalertragsteuerpflichtigen Beteiligungserträgen bzw. Veräußerungsgewinnen stammen.
Beratungsleistungen: Werden i.R.d. Holdingfunktion gegenüber der Tochtergesellschaft auch Beratungsleistungen erbracht, stellt dies die Dauerüberzahlungssituation nicht infrage, wenn die Holdinggesellschaft nicht über eigenes Personal zur Erbringung solcher Leistungen verfügt – sie also organisatorisch nicht dafür ausgestattet ist, Beratungsleistungen erwerbswirtschaftlich zu erbringen und hieraus substantielle Gewinne zu erzielen.
Eine Dauerüberzahlungssituation ist nicht nur dann gegeben, wenn die gesamte einbehaltene KapErtrSt zu erstatten ist. Ausreichend ist, dass die festgesetzte KSt geringer als die anzurechnende KapErtrSt ist.
Die "Art der Geschäfte" i.S.d. § 44a Abs. 5 EStG bestimmt sich nicht nach dem satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand, sondern nach der tatsächlich ausgeübten Unternehmenstätigkeit.
Die Dauerüberzahlerbescheinigung nach § 44a Abs. 5 S. 4 EStG ist kein Freistellungsbescheid und damit auch kein Steuerbescheid. Jedoch stellt sie einen sonstigen begünstigenden Verwaltungsakt i.S.d. § 130 Abs. 2 AO dar.
FG München v. 15.3.2021 – 7 K 1827/18
e) Zugang zum steuerlichen Einlagekonto bei Forderungsabtretung an GmbH
Wann ein Zugang zum steuerlichen Einlagekonto zu erfassen ist, bestimm...