a) Keine vollständige Freistellung vom Steuerabzug bei Kapitalgesellschaften im Mutter-Tochter-Verhältnis in Missbrauchsfällen
Keine Freistellung vom KapErtrSt-Abzug: Eine in Spanien gegründete Kapitalgesellschaft ("sociedad de responsabilidad limitada"), die eine 100%ige Beteiligung an einer in Deutschland gegründeten und ansässigen GmbH hält, ist nicht vollständig vom Abzug der KapErtrSt freizustellen, wenn es der Muttergesellschaft nicht gelingt nachzuweisen, dass es sich bei ihrer Einschaltung nicht um eine rein künstliche Konstruktion handelt, die auf die ungerechtfertigte Nutzung der Quellensteuerbefreiung i.S.d. Mutter-Tochter-Richtlinie gerichtet ist.
Nicht gerechtfertigt ist die vollständige Quellensteuerbefreiung, wenn an der Muttergesellschaft natürliche Personen beteiligt sind, denen die begehrte Freistellung nicht zustände, wenn diese die Einkünfte unmittelbar erzielten und die Muttergesellschaft keine ins Gewicht fallende eigene Wirtschaftstätigkeit ausübt.
Nicht ausreichend ist es, wenn die Muttergesellschaft nur behauptet, Führungsaufgaben und durch Darlehenshingaben gegenüber der Tochtergesellschaft Finanzierungsaufgaben wahrgenommen zu haben, wenn weder konkret vorgetragen noch belegt wird, wie die Muttergesellschaft diese Aufgaben durch ihre GF ausgeübt haben will. Beachten Sie: Dies gilt umso mehr, wenn den eingereichten Gewinn- und Verlustrechnungen keine Aufwendungen zu entnehmen sind, die auf die Wahrnehmung von Führungsaufgaben hindeuten und die Bilanzen der Muttergesellschaft darüber hinaus belegen, dass finanzielle Mittel aus Darlehensrück- und Zinszahlungen der Tochtergesellschaft sowie sonstige liquide Mittel zeitnah an die Gesellschafter weitergeleitet worden sind.
FG Köln v. 16.2.2022 – 2 K 1483/19, NZB eingelegt, Az. des BFH: I B 24/22
b) Keine Organschaft bei Vereinbarung eines EAV und zusätzlich einer atypisch stillen Gesellschaft
"Ganzer Gewinn": Eine GmbH hat nicht ihren "ganzen Gewinn" i.S.d. § 14 Abs. 1 S. 1 KStG an ihre Alleingesellschafterin abgeführt – und es kann daher keine körperschaftsteuerliche Organschaft bestehen –, wenn neben dem Ergebnisabführungsvertrag (EAV) zusätzlich noch eine atypisch stille Gesellschaft mit der Alleingesellschafterin vereinbart wird und die GmbH daher verpflichtet ist, einen Teil ihres Gewinnes an die Alleingesellschafterin in ihrer Eigenschaft als stille Gesellschafterin zu entrichten (Anschluss an FG Hamburg v. 26.10.2010 – 2 K 312/09, GmbHR 2011, 332; BMF v. 20.8.2015 – IV C 2 - S 2770/12/10001, GmbHR 2015, 1064 = GmbH-StB 2015, 317 [Weiss]).
Die steuerrechtlichen Tatbestandsmerkmale, insbesondere die für die Anerkennung der Organschaft unabdingbare vereinbarungsgemäße und tatsächlich durchgeführte Abführung des ganzen Gewinns, sind eigenständig anhand der steuerrechtlichen Regelungszwecke und Sachgesetzlichkeiten auszulegen und anzuwenden.
VGA: Liegen die Voraussetzungen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft nicht vor, sind gleichwohl durchgeführte Ergebnisabführungen als vGA zu behandeln.
FG Mecklenburg-Vorpommern v. 5.7.2022 – 1 K 395/14,
c) Durchführung einer körperschaftsteuerlichen Organschaft
Der Durchführung einer körperschaftlichen Organschaft steht die Umwandlung eines Gewinnabführungs- oder eines Verlustübernahmeanspruchs in ein Darlehen nicht entgegen. Ein solches Darlehen muss nicht fremdüblich vereinbart sein, der Darlehensanspruch muss aber werthaltig sein, damit der Ergebnisabführungsvertrag durchgeführt wird.
Die Voraussetzung des Erwerbs eines Anteils mit dem Ziel der kurzfristigen Erzielung eines Eigenhandelserfolgs i.S.d. § 8b Abs. 2 S. 2 KStG a.F. liegt nicht vor, wenn der Anteil zum Zwecke der Erzielung einer nach DBA steuerfreien Dividende und eines anschließend steuerbaren Veräußerungsverlustes erworben wurde.
FG Hamburg v. 30.6.2022 – 6-K-182/20, NZB eingelegt, Az. des BFH: I B 45/22
d) Keine Steuerpflicht der in 2005 erfolgten Auflösung eines organschaftlichen passiven Ausgleichspostens in Folge verfassungswidriger echter Rückwirkung des § 14 Abs. 4 KStG
Streitig ist, ob die Einführung des § 14 Abs. 4 KStG (erfolgswirksame Auflösung eines Ausgleichpostens) durch das JStG 2008 v. 20.12.2007 mit Wirkung auf Zeiträume vor 2008 (hier: 2005) mit unzulässiger (echter) Rückwirkung erfolgte. Das FG entschied:
Die Auflösung ...: Bei einer im Jahr 2005 erfolgen Einbringung von Anteilen an der Organgesellschaft (hier: 94,5 %) zum Buchwert ist ein zuvor i.R.d. Organschaftsverhältnisses gebildeter passiver Ausgleichsposten (anteilig) aufzulösen.
...ist mangels Rechtsgrundlage nicht steuerpflichtig: Die Auflösung des passiven Ausgleichspostens ist mangels Rechtsgrundlage im Streitjahr 2005 und in Folge der deshalb verfassungswidrigen echten Rückwirkung des §§ 14 Abs. 4, 34 Abs. 9 Nr. 5 KStG i.d.F.d. JStG 2008 nicht steuerpflichtig.
Hess. FG v. 14.6.2022 – 3 K 1706/18, NZB eingelegt, Az. des BFH: I B 34/22
e) Chinesische Limited Liability Company mit Kapitalgesellschaft vergleichbar
Eine chinesische Limited Liability Company ist mit einer Kapitalgesellschaft vergleichbar; offene und verdeckte Gewinnausschüttungen an den unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter sind daher nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG und § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG steuerbar; eine Anrechnung von chinesischer Quellensteuer nach § 32d Abs. 5 S. 1 EStG und § 32d Abs. 5 S. 2 EStG ist nicht vorzunehmen, wenn die Kapitalerträge in China nicht besteuert worden sind.
FG Baden-Württemberg v. 4.8.2022 – 1 K 2898/21, NZB eingelegt, Az. des BFH: I B 48/22