a) Wechsel von Freistellungs- zur Anrechnungsmethode: Aktivitätsklauseln für Betriebsstätteneinkünfte
Ist § 20 Abs. 2 S. 2 AStG unanwendbar, wenn das maßgebliche DBA eigene Aktivitätsklauseln für Betriebsstätteneinkünfte enthält?
Für die Rechtsfolge des § 20 Abs. 2 AStG – dem Wechsel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode – bedarf es einer sich originär aus dem maßgebenden DBA ergebenden Freistellung. Verweist ein DBA nicht auf § 8 Abs. 1 Nr. 1-6 AStG, sondern sieht es eigene Aktivitätsklauseln für Betriebsstätteneinkünfte vor, läuft § 20 Abs. 2 S. 2 AStG leer.
Sächs. FG v. 15.12.2020 – 1 K 1469/16, Rev. eingelegt, Az. des BFH: I R 4/21
b) Besteuerung der aus der atypisch stillen Beteiligung an einer Luxemburger S.à.r.l. erzielten gewerblichen Einkünfte
Ist eine deutsche GmbH als atypisch stille Gesellschafterin an einer Luxemburger S.à.r.l. beteiligt, die im Wesentlichen Zinseinkünfte aus der Finanzierung von Luxemburger Tochtergesellschaften mit Eigenkapital erzielt, so handelt es sich bei den aus der atypisch stillen Gesellschaft erzielten gewerblichen Einkünften um Unternehmensgewinne nach Art. 5 Abs. 1 DBA-LUX 1958 und Art. 20 Abs. 1 DBA-LUX 1958.
Grundsatz: Für diese Unternehmensgewinne steht dem Staat Luxemburg das Besteuerungsrecht zu. Sie sind durch die Freistellungsmethode im Inland von der Bemessungsgrundlage für die Steuer auszunehmen.
Ausnahme: Aufgrund der vorrangigen Vorschrift des § 20 AStG kommt die Steuerfreiheit nach dem DBA nicht zur Geltung, wenn die Voraussetzungen nach § 20 Abs. 1 AStG und § 20 Abs. 2 AStG erfüllt sind.
Europarechtskonformität: § 20 Abs. 2 AStG verletzt weder in der im Jahr 2007 noch in der im Jahr 2008 gültigen Fassung die Niederlassungsfreiheit oder die Kapitalverkehrsfreiheit. Die Vorschrift ist daher europarechtskonform (Abgrenzung von BFH v. 21.10.2009 – I R 114/08, GmbHR 2010, 215 = GmbH-StB 2010, 31 [Görden]).
Kein Gestaltungsmissbrauch: Mit der Gestaltung von atypisch stillen Gesellschaften zwischen Konzerntöchtern kann der Konzern für steuerliche Zwecke das für Kapitalgesellschaften geltende Trennungsprinzip teilweise beseitigen und die Gewinnzurechnung auf bestimmte Töchter steuern. Bei dem Zusammenschluss von zwei Kapitalgesellschaften zu einer atypisch stillen (Personen-)Gesellschaft handelt es sich aus der Sicht des deutschen Rechts um eine zulässige Gestaltung. Folglich kann die Gestaltung auch unter europarechtlichen Gesichtspunkten nicht als Missbrauch angesehen werden. Denn andernfalls läge eine Diskriminierung durch unterschiedliche Missbrauchsmaßstäbe im Inlands- und im Auslandsfall vor.
§ 20 AStG bewirkt, dass die Bundesrepublik Deutschland ihre vertraglichen Verpflichtungen aus DBA (hier: mit Luxemburg) unter bestimmten Voraussetzungen nicht einhält (sog. "Treaty Overriding"). Da diese Vertragsverletzung nicht zur Verfassungswidrigkeit des § 20 AStG führt (vgl. BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, EStB 2016, 95), ist die Vorschrift von den deutschen Gerichten zu beachten.
FG München v. 13.7.2021 – 6 K 215/19, Rev. eingelegt, Az. des BFH: I R 34/21