a) EU-rechtswidrig einbehaltene Steuern sind mit 6 % zu verzinsen
Zu Unrecht nicht erstattete Kapitalertragsteuer(KapErtrSt)-Erstattungsansprüche sind für den Zeitraum, in dem die Mittel dem Steuerpflichtigen nicht zur Verfügung stehen, zu verzinsen. Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Unionsrecht. Die Verzinsungsmodalitäten richten sich nach den nationalen, allgemein gültigen Verzinsungsgrundsätzen.
Eine in Österreich ansässige Gesellschaft stellte in den Jahren 2009-2012 beim Bundeszentralamt für Steuern verschiedene Anträge auf Freistellung und Erstattung von deutscher KapErtrSt. Diese Anträge wurden zunächst unter Hinweis auf § 50d Abs. 3 EStG abgelehnt. Die hiergegen gerichteten Einsprüche hatten Mitte 2018 Erfolg und führten zu Steuererstattungen, nachdem der EuGH die Unvereinbarkeit des § 50d Abs. 3 EStG mit dem Unionsrecht festgestellt hatte (EuGH v. 20.12.2017 – C 504/16 (Deister Holding) und C 613/16 (Juhler Holding), GmbHR 2018, 427 = GmbH-StB 2018, 166 [Schwetlik] sowie EuGH v. 14.6.2018 – C 440/17 (GS), GmbHR 2018, 851 = GmbH-StB 2018, 271 [C. Böing/Dokholian]).
FG Köln v. 17.11.2021 – 2 K 1544/20, Rev. eingelegt, Az. des BFH: I R 50/21
b) Europarechtskonformität der Hinzurechnungsbesteuerung
Die Hinzurechnung der – von einer in Hongkong ansässigen Zwischengesellschaft – erzielten Einkünfte beschränkt zwar auch die auf sog. Drittstaatenfälle anwendbare Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUG, ist aber gerechtfertigt und verstößt nicht gegen Unionsrecht.
FG Münster v. 11.2.2022 – 2 V 1478/21 F, Beschwerde eingelegt, Az. des BFH: I B 11/22
Beraterhinweis Das FG hatte mit Hinweis auf das vor dem BVerfG anhängige Verfahren 2 BvR 923/21 die Revision zugelassen.
c) Periodenübergreifende Anrechnung ausländischer KSt
Ausländische Steuern können nicht nach § 26 Abs. 2-6 KStG a.F. periodenübergreifend auf die deutsche KSt angerechnet werden, wenn es an einer gesonderten Feststellung der Anrechnungsüberhänge im jeweiligen VZ fehlt. Ein solcher Anrechnungsanspruch kann auch weder aus dem DBA noch aus dem Unionsrecht abgeleitet werden. Eine unionsrechtliche Durchbrechung des sich aus dem nationalen Verfahrensrecht ergebenden Grundsatzes der gesonderten Feststellung von Anrechnungsüberhängen ist nicht geboten.
Angefallene ausländische Körperschaftsteuer (hier: griechische) kann in entsprechender Anwendung der § 26 KStG a.F. i.V.m. § 34c EStG a.F. i.V.m. § 10d EStG a.F. auf die inländische KSt folgender Veranlagungszeiträume angerechnet werden.
Die gegenüber Auslandsdividenden fehlende steuerrechtliche Entlastung bei wirtschaftlicher Doppelbesteuerung – hier für Inlandsdividenden durch Steuergutschrift nach § 49 Abs. 1 KStG a.F. i.V.m. § 36 Abs. 4 S. 2 EStG a.F. erfolgend – verstößt gegen Art. 49 AEUV (ex Art. 43 EGV).
FG Nds. v. 14.12.2021 – 6 K 87/19, Rev. eingelegt, Az. des BFH: I R 6/22
d) Erstattung von KapErtrSt auf Ausschüttungen an in Japan ansässige Muttergesellschaft
Eine in Japan ansässige Mutterkapitalgesellschaft, die zu 100 % an einer inländischen GmbH beteiligt ist, hat ungeachtet der definitiven Wirkung des Quellensteuerabzugs aufgrund des Ausschlusses der Steueranrechnung in Japan keinen Anspruch auf die nachträgliche Erstattung der auf Ausschüttungen der GmbH einbehaltenen und abgeführten KapErtrSt in analoger Anwendung des § 50d Abs. 1 S. 2 EStG, weil sie sich nicht auf die – durch die vorrangige Niederlassungsfreiheit verdrängte – unionsrechtliche Kapitalverkehrsfreiheit berufen kann.
Für den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit kommt es – auch in der Konstellation der Zahlung einer Dividende aus einem Mitgliedstaat an eine in einem Drittstaat ansässige Kapitalgesellschaft – auf die konkrete Beteiligungshöhe der Empfängerin und die daraus resultierende Möglichkeit der Einflussnahme auf die Entscheidungen der Tochtergesellschaft an.
Die Kapitalverkehrsfreiheit wird auch dann durch die vorrangige Niederlassungsfreiheit verdrängt, wenn die Niederlassungsfreiheit aufgrund der Ansässigkeit eines Unternehmens in einem Drittstaat nicht anwendbar ist.
FG Düsseldorf v. 2.3.2022 – 7 K 1424/18 K E, Rev. eingelegt, Az. des BFH: I R 16/22
e) § 17 EStG bei einer nach dem Recht des Staates Delaware gegründeten INC.
Für die Bestimmung der Höhe – und damit der Relevanz – der prozentualen Beteiligung an einer nach dem Recht des Staates Delaware gegründeten INC. ist auf die Anzahl der tatsächlich ausgegebenen "issued and outstanding shares" als "Kapital" abzustellen und nicht auf die im Register des Secretary of State von Delaware eingetragenen genehmigten "authorized shares" (entgegen FG Münster v. 27.11.2013 – 11 K 3468/11 E, rkr., EFG 2014, 341 und FG Münster v. 6.12.2016 – 7 K 3225/13 E, rkr., EFG 2017, 129).
FG Nürnberg v. 28.4.2021 – 5 K 1490/20, Rev. eingelegt, Az. des BFH: IX R 23/21
f) Ausländische Betriebsstätte einer im Inland ansässigen GmbH: kein Arbeitgeber i.S.d. OECD-MA
Die ausländische Betriebsstätte einer im Inland ansässigen rechtlich selbständigen Person ist als solche nicht als Arbeitgeber i.S.d. Art. 15 Abs. 2 Buchst. b) OECD-MA anzusehen.
Hintergrund: Die in Deutschland ansässige GmbH ist über Zweigniederlassungen weltweit tätig. Die in den Auslandsniederlassungen tätigen Arbeitnehmer hatten ihren Wohnsitz jeweils im Beschäftigungsstaat. In unregelmäßigen zeitlichen Abständen kamen sie für kurzfristige Dienstreisen zum Stammhaus nach Deutschland. Diese Inlandsdienstreisen nahmen sie im Interesse der jeweiligen Auslandsz...