a) Festsetzungsverjährung eines Freistellungsanspruchs nach § 32 Abs. 5 KStG
Für den gem. § 32 Abs. 5 S. 1 KStG erforderlichen Antrag auf KapErtrSt-Erstattung gelten die allgemeinen Verjährungsfristen gem. §§ 169–171 AO. Die aus §§ 169–171 AO folgende Verjährungsregelung ist mit EU-Recht vereinbar.
FG Köln v. 14.12.2022 – 2 K 1923/20, Rev. eingelegt, Az. des BFH: I R 8/23
Beraterhinweis Der BFH hat in der Revision zu klären:
b) Entlastung von KapErtrSt für nach der Liquidationsentscheidung erfolgte Ausschüttungen
Streitig ist, ob der Klägerin (Sociéte Anonyme (S.A., vergleichbar einer deutschen Aktiengesellschaft) mit Sitz in Luxemburg) die begehrte KapErtrSt-Erstattung im Zusammenhang mit Gewinnausschüttungen, die sie während der gesellschaftsrechtlichen Abwicklung ihrer Tochtergesellschaft erhalten hat, auf der Grundlage von § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. § 43b Abs. 1 EStG zusteht.
Der Begriff "anlässlich" der Liquidation in § 43b Abs. 1 S. 4 EStG ist nicht auf Gewinnausschüttungen auszudehnen, die – in Abgrenzung zu Bezügen nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG (wie z.B. Abwicklungs- bzw. Liquidationserlöse) – durch ihren Bezug zu einem Zeitraum vor der Auflösung der Gesellschaft unter § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG subsumiert werden.
Die enge Auslegung kann sowohl mit der Gesetzesentstehung in Einklang gebracht werden, als auch mit Sinn und Zweck der Steuererstattung auf der Grundlage der Mutter-Tochter-Richtlinie der EU.
FG Köln v. 26.10.2022 – 2 K 2446/19, NZB eingelegt, Az. des BFH: VIII B 145/22
c) Anwendung des § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG auf Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf AG österreichischen Rechts
Wird eine AG, deren Geschäftsleitung sich in Österreich befindet und die mittelbar zu 100 % an Leasinggesellschaften mit Grundbesitz in Deutschland sowie an einer österreichischen Kapitalanlagegesellschaft (KAG) beteiligt ist, welche als zivilrechtliche Eigentümerin mehrere in Deutschland belegene Grundstücke treuhänderisch für österreichische Immobilienfonds verwaltet, auf eine Gesellschaft österreichischen Rechts in der Rechtsform einer AG verschmolzen, so werden durch die Verschmelzung hinsichtlich der in Deutschland belegenen Grundstücke sowohl der Leasinggesellschaften als auch der KAG die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG erfüllt.
Nicht verfassungs- oder unionsrechtswidrig: Die Anwendung des § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG auf diese Verschmelzung verstößt weder gegen Art. 5 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2008/7/EG i.V.m. Art. 4 der Richtlinie 2008/7/EG noch gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG wegen eines strukturellen Vollzugsdefizits vor.
Die GrESt, die gem. § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG bei einer Anteilsvereinigung erhoben wird, ist eine Besitzwechselsteuer i.S.d. Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/7/EG.
FG München v. 8.2.2023 – 4 K 1671/20, Rev. eingelegt, Az. des BFH: II R 8/23
d) Freistellungsanspruch nach § 50d Abs. 1 EStG für ausländische Gesellschafter
Streitig ist, ob der in den USA ansässigen S-Corporation – oder ihren Gesellschaftern – im Hinblick auf eine Gewinnausschüttung einer inländischen Tochtergesellschaft der S-Corporation ein Anspruch auf vollständige Freistellung und Erstattung der KapErtrSt zusteht. Das FG entschied:
Zu Gunsten einer US-amerikanischen S-Corporation findet – trotz ihrer Qualifikation als sog. hybride Gesellschaft – bei Ausschüttungen ihrer deutschen Tochtergesellschaft Art. 10 Abs. 3 DBA-USA Anwendung.
Einer Geltendmachung des aus § 50d Abs. 1 S. 2 EStG i.V.m. Art. 10 Abs. 3 DBA-USA i.V.m. § 31 Abs. 1 S. 1 KStG und Art. 29 Abs. 2 DBA-USA folgenden Freistellungs- und Erstattungsanspruchs durch die S-Corporation selbst steht § 50d Abs. 1 S. 11 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG entgegen.
Mangels materiell-rechtlicher Wirkung führt diese Regelung nicht zu einer betragsmäßigen Verringerung des Anspruchs.
Infolge der verfahrensrechtlichen Wirkung, die § 50d Abs. 1 S. 11 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG beizumessen ist, ist der Anspruch gem. § 50d Abs. 1 S. 2 EStG i.V.m. Art. 10 Abs. 3 DBA-USA i.V.m. § 31 Abs. 1 S. 1 KStG und Art. 29 Abs. 2 DBA-USA durch die Gesellschafter der S-Corporation geltend zu machen.
FG Köln v. 16.11.2022 – 2 K 750/19, Rev. eingelegt, Az. des BFH: I R 13/23