a) Kapitalerträge aus Aufrechnung von Forderungen zwischen GmbH und Gesellschafter
§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG umfasst – unabhängig von der Bezeichnung und ihrer zivilrechtlichen Ausgestaltung – alle Formen der Kapitalforderungen, mithin jede auf Geld gerichtete Forderung, also auch private Kapitalforderungen der Gesellschafter gegen ihre Gesellschaft, egal auf welchem Rechtsgrund sie beruhen.
Zufluss: Soweit sich aus den Regelungen des § 44 Abs. 2 EStG und § 44 Abs. 3 EStG nichts Abweichendes ergibt, sind Kapitalerträge gem. § 11 Abs. 1 S. 1 EStG im Zeitpunkt der objektiven Vermögensmehrung zugeflossen. Im Falle der Aufrechnung mit einer Forderung gegen den Steuerpflichtigen ist der Zufluss in dem Moment bewirkt, in dem die Aufrechnungserklärung zugeht.
"Rückzahlung" bei Aufrechnung: Erwirbt die Gesellschafterin eine gegen die GmbH bestehende nicht verbriefte Geldforderung und rechnet sie diese gegen eine eigene gegenüber der GmbH bestehende Verbindlichkeit auf, so liegt eine zu Kapitaleinkünften führende "Rückzahlung" i.S.d. § 20 Abs. 2 S. 2 EStG vor. Insoweit ist die GmbH allerdings nicht auszahlende Stelle i.S.d. § 44 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 Buchst. b EStG i.V.m. § 44 Abs. 1 S. 4 Buchst. a Doppelbuchst. aa) EStG und somit nicht zum KapESt-Einbehalt verpflichtet, weil sie die aufgerechnete Forderung nicht für die Gesellschafterin verwahrt, verwaltet oder deren Veräußerung durchführt.
Steuerhinterziehung? Hat die Gesellschafterin weder ihrer ESt-Erklärung eine Anlage KAP beigefügt noch die erfolgte Aufrechnung der wechselseitigen Forderungen mit der GmbH in anderer Form gegenüber dem FA offengelegt, hat sie den objektiven Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO – nämlich das pflichtwidrige Inunkenntnislassen des FA über steuerlich erhebliche Tatsachen – verwirklicht. Ein zumindest bedingter Vorsatz als Voraussetzung für den subjektiven Tatbestand einer Steuerhinterziehung kann aber nicht unterstellt werden, wenn keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, die einen Schluss darauf zulassen, dass die Gesellschafterin zumindest billigend den tatbestandlichen Erfolg der Steuerhinterziehung in Kauf genommen hat.
FG Sachsen-Anhalt v. 18.4.2023 – 5 K 819/18
b) Zahlungen aus Bürgschaftsinanspruchnahme als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung
Vor der Rechtsprechungsänderung durch BFH v. 11.7.2017 – IX R 36/15, GmbHR 2017, 767 = GmbH-StB 2017, 137 [Trossen] = BStBl. II 2019, 208 geleistete Zahlungen aufgrund einer Bürgschaftsinanspruchnahme stellen keine nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung i.S.d. § 17 Abs. 2 EStG dar, wenn die Übernahme der Bürgschaft nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst war.
Sächs. FG v. 12.7.2021 – 5 K 1378/19, Rev. eingelegt, Az. des BFH: X R 4/22
c) Zahlungen aufgrund eines Haftungsbescheides im Falle der Geschäftsführerhaftung
Zahlungen aufgrund eines auf § 69 AO gestützten Haftungsbescheides sind im Falle der Geschäftsführerhaftung grundsätzlich (nachträgliche) Werbungskosten, wenn
- die haftungsauslösende Pflichtverletzung während der Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer verursacht wurde und
- ein objektiver Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und der beruflichen Tätigkeit besteht,
da in diesem Falle die Haftungsinanspruchnahme nicht auf der Stellung als Gesellschafter, sondern ausschließlich auf dem Verhalten als Geschäftsführerin beruht.
FG Nürnberg v. 20.10.2022 – 4 K 1287/20, Rev. eingelegt, Az. des BFH: IX R 29/22
d) Doppelerfassung eines Dividendenbezugs in der ESt-Erklärung: § 173 AO
A war Alleingesellschafter-Geschäftsführer der C-GmbH, an die er – unstreitig – im Rahmen einer Betriebsaufspaltung ein Grundstück vermietete. Eine im Jahr 2017 von der C-GmbH gezahlte Dividende war in der ESt-Erklärung doppelt erfasst:
- Zum einen als Betriebseinnahme (i.R.d. Betriebsaufspaltung) in Anlage G,
- zum anderen als Dividende in der Anlage KAP.
Streitig ist, ob eine Änderung des ESt-Bescheides nach §§ 129, 173 AO möglich ist. Das FA lehnte den Änderungsantrag ab, das FG dagegen bejaht einen Änderungsanspruch nach § 173 AO:
Der Irrtum darüber, welche Dividende bei zutreffender Auslegung eines Steuererklärungsformulars in ein bestimmtes Feld im Erklärungsformular einzutragen ist, stellt kein mechanisches Versehen bei der Willensäußerung dar, sondern ist das Ergebnis eines vom Erwartungshorizont des Formularerstellers offenbar abweichenden Vorgangs bei der rechtlichen Willensbildung, meist das Vorstadium der Willensäußerung.
"Tatsache": Der Umstand, dass eine bezogene Dividende sowohl bei den Einkünften aus Kapitalvermögen als auch als Betriebseinnahme i.R.d. Einkünfte aus Gewerbebetrieb (also doppelt) Eingang in die ESt-Erklärung gefunden hat, stellt eine Tatsache i.S.d.§ 173 AO dar.
Ein Überwachungsverschulden eines nicht den steuer- oder rechtsberatenden Berufen zugehörigen Steuerpflichtigen im Bereich der Besteuerung von Kapitalerträgen kommt nur in ganz wenigen, besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht.
Keine grobe Pflichtverletzung: Die Tatsache, dass die Finanzverwaltung keinen Erfolg bei dem Versuch hatte, Erklärungsformulare und flankierende Anleitungen eindeutig und ohne verbleibende Interpretationsspielräume auszugestalten, schließt es aus, dem auf der anderen Seite des Steuerschuldverhältnisses mitwirkenden Steuerberater beim Ausfüllen dieses Formulars eine besonders grobe – in Abgrenzung zu ...